WINDRÄDER SIND EINE PRIMA ALTERNATIVE – ABER NICHT AN DER KÜSTE
: Ab in die tiefe See

Windenergie ist sauber. In der Nordsee schlummert ein Windpotenzial, das die Atomkraft bis 2030 zur Hälfte und ein paar Jahre später komplett ersetzen kann. Das ist gut so.

Und doch sollte uns das nicht täuschen: Die Windindustrie sieht sich zwar gern als „gute Industrie“, die das Klima schützt. Das mag stimmen, dennoch gibt es keinen „guten“ Eingriff in die Natur – immer wird Tieren ein Stück Lebensraum genommen. Schließlich geht es gleich um 4.000 mächtige Windräder, die bis 2030 in der deutschen See entstehen sollen. Insofern ist es gut, dass sich WWF und Naturschutzbund nicht beirren lassen und die bislang in der Ostsee vorgeschlagenen Standorte ablehnen. Denn dort gibt es viel kleinräumigen Vogelzug – und in der Nordsee ausreichend unbedenklichere Standorte.

Die beiden von Umweltminister Jürgen Trittin in der Nordsee vorgeschlagenen Areale reichen bequem aus, um genügend Windräder aufzubauen. Dennoch fordern viele Windunternehmen küstennahe Flächen, weil die einfacher zu erschließen seien: Das Wasser ist niedriger, die See kalkulierbarer und das Windrad für Wartungen und Reparaturen schneller erreichbar. Küstennähe sei nötig, sagen die Windverbände, um sich vor dort an die Probleme in tiefem Wasser heranzutasten. Könne man diese Erfahrungen in Deutschland nicht sammeln, dann hätten ausländische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.

Zwar wird tatsächlich in Dänemark, Großbritannien und Spanien bereits in flachem, küstennahem Wasser gebaut. Doch wird gerne unterschlagen, dass dort deutsche Unternehmen mitmischen. Angesichts des offenen Binnenmarkts ist gar nicht einzusehen, warum in Deutschland unbegrenzt küstennahe Parks erlaubt werden sollen. Diese Zonen sind nun einmal in Deutschland ökologisch sensibler als in Dänemark. Trotzdem kommen die drei deutschen Küstenländer der Industrie großzügig entgegen, konkurrieren sie doch untereinander, wenn es darum geht, Jobs im strukturschwachen Norden zu schaffen.

Wie scheinheilig die Argumente der Industrieverbände ist, zeigt das Beispiel der Prokon Nord. Diese Windkraftprojektierer haben den ersten Antrag in Deutschland auf ein Offshorewindrad gestellt. Nicht an der Küste, sondern nördlich von Borkum in 30 Meter tiefem Wasser – noch bevor das Umweltministerium diesen Bereich als geeignet bezeichnete. Der Grund: Die küstennahen Standorte sind ohnehin knapp; vorausschauend will Prokon deshalb als Erster dort Erfahrung sammeln, wo am Ende die meisten Windräder stehen werden. Und das ist nun mal weit draußen in tiefer See. MATTHIAS URBACH