Irlands Abtreibungsschiff fällt ins Wasser

Auf der niederländischen „Aurora“ sollten Irinnen in internationalen Gewässern abtreiben können. Pech: Die Schiffsärztinnen haben gar keine Lizenz

DUBLIN taz ■ Die Aurora ist gelandet. Das niederländische Abtreibungsschiff, das am Montag in Schevingen ablegte, ist am Donnerstagabend in Dublin angekommen. Der 35 Meter lange ehemalige Fischkutter hat einen rund 14 Quadratmeter großen grünen Container an Bord, der mit einem Gynäkologenstuhl und einem Ultraschallgerät ausgerüstet ist und über einen Tank mit sterilisiertem Wasser verfügt. Doch zu Schwangerschaftsabbrüchen wird es nicht kommen. Selbst die Abtreibungspille RU 486 wird nicht ausgegeben. Denn die beiden Schiffsärztinnen haben von der niederländischen Regierung keine Lizenz dafür bekommen. Ignorieren sie das Verbot, drohen ihnen bis zu vier Jahre Gefängnis, sagt das Justizministerium in Den Haag.

Irland ist der erste Zielort des Schiffs. Später soll es nach Südamerika und Afrika gehen. Die Ankunft des Schiffs in Dublin hat ein riesiges Medieninteresse ausgelöst. Kamerateams aus der ganzen Welt warteten seit Donnerstag früh am Pier. Zum Schluss war es ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Amsterdamer Organisation „Women on Waves“, die das Schiff gechartert hat, gab zunächst bekannt, dass es aufgrund des schlechten Wetters erst am Freitagmorgen anlegen würde. Man wollte offenbar die irischen Abtreibungsgegner in die Irre führen, die Proteste angekündigt hatten. Die US-Organisation „Human Life International“ wollte sogar ein eigenes Boot in den Hafen schicken, um „Beratung und spirituelle Führung“ anzubieten. Andere Organisationen erklärten, sie würden von Protestaktionen absehen, weil sie sonst dem „Reklametrick der holländischen Frauen Vorschub leisten“ würden.

Dennoch gibt es starke Sicherheitsmaßnahmen auf dem Schiff. Fünf Kameras beobachten ständig die Umgebung, Besucher werden registriert und mit Metalldetektoren durchsucht. Justin Barrett von „Youth Defence“, eine Gruppe junger Abtreibungsgegner mit 4.000 Mitgliedern, sagte, das Schiff sei sogar nützlich für seine Organisation. „Es setzt das Thema auf die Tagesordnung“, sagte er, „und eine überwältigende Mehrheit der irischen Bevölkerung ist gegen Abtreibung.“ Er fordert ein Referendum zum Thema.

An Volksentscheiden über Abtreibung hat es in Irland bisher nicht gemangelt, dennoch ist die Rechtslage unklar. Zwar stimmte die Bevölkerung 1983 für ein generelles Abtreibungsverbot, doch zehn Jahre später entschied das höchste Gericht, dass bei Lebensgefahr für die Schwangere – und dazu zählten die Richter auch Selbstmordgefahr – ein Abtreibung zulässig sei.

Auslöser für das Urteil war der Fall einer 14-Jährigen, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war und aufgrund eines Urteils in erster Instanz nicht nach England zur Abtreibung ausreisen durfte. Eigentlich hätte die irische Regierung auf das höchstrichterliche Urteil mit Gesetzen reagieren müssen, doch davor scheuten sich die Politiker. So reisen weiterhin jedes Jahr etwa 6.500 irische Frauen zur Abtreibung nach England.

Die niederländische Gynäkologin Rebecca Gomperts, die „Women on Waves“ 1999 gründete, weiß, dass ihre Organisation „die strukturellen Probleme in Irland nicht lösen“ kann. Das sei Sache der Dubliner Regierung. „Wir sind hier, um die irischen Gruppen zu unterstützen, die seit Jahren für das Recht auf Abtreibung in ihrem Land kämpfen“, sagte sie.

Bei denen hat sich eine gewisse Enttäuschung breit gemacht. Zwar sind sie froh, dass die Ankunft des Schiffs ein gewaltiges Medienecho ausgelöst und die Debatte über Abtreibung wieder angefacht hat, doch sie erfuhren erst am Donnerstag, dass das Schiff über keine Lizenz für Schwangerschaftsabbrüche verfügt. Bis dahin war ihnen von „Women on Waves“ versichert worden, dass die Aktion weder gegen niederländisches noch gegen irisches oder EU-Recht verstoße.

Die irischen Unterstützergruppen, die zahlreiche Veranstaltungen rund um das Schiff bis zur Abreise in acht Tagen organisiert haben, sind mit unzähligen Anfragen von abtreibungwilligen Frauen eingedeckt worden. Eine Familienplanungsklinik berichtete, dass mehr als ein Viertel ihrer Beratungstermine von ihren Klientinnen abgesagt worden sei, weil sie sich Hilfe von „Women on Waves“ erhofften. Nun bleibt ihnen weiterhin nur der Weg nach England.

RALF SOTSCHECK