Trittins Groschen

Umweltminister und Deutsche Umwelthilfe zahlen eine Woche lang probeweise schon mal Dosenpfand

„Mach mal endlich den Weg frei!“ Der schwer bepackte Mann ist es leid, noch länger in der Schlange zu stehen. Tüten voller Dosen sind schließlich schwer. Ein anderer, der auf der Strecke vom Rathaus Neukölln bis zum Potsdamer Platz 140 der blechernen Einwegverpackungen aufgelesen hat, kommt deshalb gleich mit einem Einkaufswagen. Nicht einmal eine Stunde hätte er für die Sammelaktion, die sich nun in bare Münze auszahlen soll, gebraucht: „Das Geld liegt auf der Straße, bis Freitag werde ich mir noch mehr abholen.“

Gegenüber dem Bundesratsgebäude riecht es nach abgestandenem Bier. Bekannte Gesichter wie Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sortieren Dosen, die dann über ein Fließband auf umzäumtes Gebiet fallen. Selbst der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands des Berliner Einzelhandels steuert zwei Lkw-Ladungen Wohlstandsmüll bei – allerdings als Protest gegen den von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) initiierten einwöchigen Dosenpfandtest.

Diese wiederum will Berlinern seit gestern das Sammeln von Einweggetränkepackungen schmackhaft machen. Jeder, der in der Leipziger Straße eine Dose abgibt, bekommt zehn Pfennig. Dass die Aktion ausgerechnet in dieser Woche stattfindet, ist kein Zufall. Schließlich stimmt am Freitag der Bundesrat über die neue Verpackungsverordnung ab, nach der ab 2002 ein Pfand von rund 50 Pfennig pro Getränkedose und Flasche fällig wird. „Wir möchten unschlüssige Vertreter der Länder erreichen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Er will nicht allein darauf vertrauen, dass der neue Senat mit seinem klaren „Ja“ im Bundesrat den Ausschlag geben wird. Zu ernst ist die Situation: Allein 1999 stieg bei stagnierendem Getränkeumsatz der Verkauf um 183 Millionen Dosen gegenüber dem Vorjahr. Auch Umweltsenator Peter Strieder (SPD), der sich der Aktion überdies als Schirmherr zur Verfügung stellte, schiebt „Standdienst“. Denn den Beteiligten geht es nicht nur um Werbung für das Dosenpfand: Auch ein sauberes Stadtbild spiele eine große Rolle, und so sollen zwei Plakate – „davor“ und „danach“ – den zumindest vorübergehenden Wandel des schmuddeligen Berlins in eine gepflegte Stadt dokumentieren.

Eine andere Umweltbelastung ist aber vorprogrammiert. Da die Veranstalter die pfiffigste Art des Dosentransports prämieren wollen, droht nicht enden wollender Lärm von Büchsenschlangen an Fahrrädern – und vielleicht auch scheppernde Kinderwagen, zumindest wenn die Mütter der Metropole den gut gemeinten Vorschlag der DUH folgen, auszumessen, wie viele Dosen sich so auf einmal transportieren lassen. NINO KETSCHAGMADSE

Die Sammelstelle an der Leipziger Straße 131, gegenüber dem Bundesratsgebäude, ist bis Freitag täglich zwischen 11 und 18 Uhr besetzt.