mütter, medienkritik etc.
: Das postnatale schlechte Gewissen der Jenny Elvers

Reifungsprogramm eines Mediensternchens

Wenn das kein zeitgemäßer Bildungsroman ist! Eine Frau, jung, schön, blond, lächelt in jede Fotokamera, derer sie gewahr wird, und heizt den Medienrummel noch durch Affären und Allüren an. Dann bekommt sie ein Kind und zieht sich für eine dreimonatige Babypause zurück. Was in dieser Zeit passiert ist, kann man sich in etwa denken (Baby wickeln, Bauch weg trainieren), wirklich erfahren werden wir es nie. Klar ist nur, dass Jenny Elvers mit einem neuen Image in die Öffentlichkeit tritt: kein Partygirl mehr, kein „Blitzlichtluder“, sondern eine reife, selbst bewusste Frau. Wobei sich, und das macht die Sache über den Boulevardbereich hinaus interessant, in ihrer Neuinszenierung eine Mischung aus Medienkritik und Mutter-Sohn-Innigkeit Bahn bricht.

„Ich habe Paul angeschaut und hatte ein schlechtes Gewissen. Das ist so ein Urinstinkt, sein Kind zu schützen – in meinem Fall vor der Öffentlichkeit.“ Ließ Jenny Elvers kürzlich die Bunten wissen und kündigte an, dass es von ihrem Sohn fortan keine Fotos mehr geben werde, nur noch dieses eine: Frau Elvers mit ihrem Sohn, in der Bunten, in Pietà-Pose; danach keines mehr.

Warum hat man eigentlich das Gefühl, diese Geschichte schon zigmal gelesen zu haben? In schönster Reinform liegen hier jedenfalls Stereotypen vor uns: dass Kinderkriegen einen Reifungsprozess nach sich zieht, dass Kinder geschützt werden müssen, dass Öffentlichkeit schadet, dass sich Mutterschaft und Ludertum nur schwer vertragen; und das alles verbindet sich mit dem alten Hut, dass die Massenmedien ein guter Ort sind, um Pauschalkritik an den Massenmedien zu äußern. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das ganz gewöhnliche postnatale Programm für Mediensternchen. Möglicherweise spielt Jenny Elvers auf etwas ungeschickte Weise auch nur Madonna nach.

Da Jenny Elvers der Öffentlichkeit erhalten bleibt, wird man in den kommenden Wochen studieren können, wie sich ihr Bildungsroman und Reifungsprogramm auf ihr öffentliches Wirken auswirken. Dazu muss man nur „Big Diet“ gucken. Spekulation muss allerdings die Frage bleiben, was in Jenny Elvers’ Bewusstsein vorgeht. Wunderbar ironisch wäre es ja, wenn der Ausrutscher mit dem Kindsvater Alex tatsächlich zu einem bewussteren Umgang mit unserer Medienwelt führen würde: vom mediengerechten Flirt zum mediengerechten Mutter-Kind-Programm. DIRK KNIPPHALS