Bomben im Kosovo – ohne Mandat

1999 beschloss die Nato, in Zukunft auch „out of area“ zuzuschlagen. Hätte der Bundestag zustimmen müssen? Die PDS klagt in Karlsruhe. Der Rest des Bundestages argumentiert fein: Der Nato-Vertrag sei nicht geändert, sondern fortentwickelt worden

aus Karlsruhe PEGGY FIEBIG

Außenpolitik soll nicht am Parlament vorbei gemacht werden, fordert die PDS-Bundestagsfraktion. Vor dem Bundesverfassungsgericht hat sie deshalb Ende 1999 eine Organklage gegen die Bundesregierung erhoben. Seit gestern wird dieser Antrag in Karlsruhe verhandelt.

Im Verhandlungssaal hatte sich dabei einiges an politischen Schwergewichten versammelt. Neben Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping ließ es sich auch Gregor Gysi nicht nehmen, seine Auffassung dem Gericht persönlich vorzutragen. Die PDS-Fraktion macht geltend, dass der gesamte Bundestag in seinen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten verletzt worden sei. Der übrige Bundestag ist allerdings mehrheitlich anderer Ansicht.

Konkreter Anlass für den PDS-Antrag war die Vereinbarung des Nordatlantikrates vom April 1999, dass das Bündnis in Zukunft nicht mehr nur Verteidigungsaufgaben wahrnehmen, sondern auch bei der Vorbeugung und Bewältigung von Krisen tätig werde. Solche Einsätze könnten dann auch außerhalb des Nato-Gebietes, als so genannte Out-of-Area-Einsätze möglich sein. Notfalls kann dann sogar auf ein UN-Mandat verzichtet werden, wie im Kosovo-Einsatz im Frühjahr 1999.

Nach Ansicht der PDS hätte die Bundesregierung dieser Erklärung nicht ohne die Beteiligung des Bundestages zustimmen dürfen. Die neue Konzeption sei faktisch eine Änderung des ursprünglichen Nato-Vertrages, sagte der Fraktionsvorsitzende Roland Claus. Und damit hätte nach Artikel 59 des Grundgesetzes der Bundestag zustimmen müssen. Der Bundestag muss grundsätzlich gefragt werden, wenn völkerrechtliche Verträge geschlossen oder verändert werden.

Die Vertreter der Bundesregierung und auch der übrigen Fraktionen meinen dagegen, dass der Bundestag zu Recht nicht formell beteiligt wurde. Mit der Erklärung von Washington sei der Nato-Vertrag nicht geändert, sondern fortentwickelt worden. Und damit sei die Übereinkunft lediglich ein Vollzugsdetail, sagte der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Rupert Scholz. Daneben, so fügte er hinzu, sei die Nato-Strategie in den Bundestagsausschüssen und Arbeitsgruppen sehr intensiv dikutiert worden. Davon, dass der Bundestag übergangen worden sei, könne daher nicht die Rede sein. Außenminister Fischer betonte, die Bündnispartner seien sich in Washington einig gewesen, keine vertragliche Bindung zu wollen. Wenn im Nachhinein einer der Partner eine nationale parlamentarische Ratifikation einfordere, so sei damit ein Stück Verlässlichkeit gefährdet.

Selbst wenn das Gericht der PDS Recht geben würde, wäre damit die Nato-Strategie nicht ernsthaft gefährdet. Die Regierung könnte sich bei einer nachträglichen Abstimmung auf die derzeitige rot-grüne Mehrheit stützen. Der PDS geht es allerdings ums Prinzip. Nach dem Willen der Fraktion soll das Bundesverfassungsgericht generell die Mitwirkungsrechte des Parlamentes im Bereich Außenpolitik klären und so entscheiden, wie viel Gewicht dem Parlament hier zukommt und vor allem, wer wann das letzte Wort hat.