Homo oecologicus

Der langjährige Anti-Atom-Aktivist und Umweltlobbyist Eduard Bernhard wird 75 Jahre alt

Der Mann, der morgen 75 Jahre alt wird, ist ein Phänomen. Seit 35 Jahren im ehrenamtlichen Einsatz im Natur- und Umweltschutz. Ein (Einzel-)Kämpfer an allen Fronten: gegen die Chemie- und Atomindustrie; gegen die „geistige Umweltverschmutzung“ durch die Politiker der „Atomparteien“, wie er CDU, CSU, FDP und manchmal auch SPD und Grüne beim Namen nennt. Eduard Bernhard streitet permanent und generell gegen die Ignoranz seiner Mitmenschen im Umgang mit der Umwelt.

Bernhard kennt kein Pardon –auch nicht, wenn einer bei einer Demonstration gegen Castor-Transporte seine Kippenschachtel einfach in den Wald wirft. Und auch nicht, wenn der Vorstandsvorsitzende von RWE, Dietmar Kuhnt, weder Block A noch Block B im Atomkraftwerk Biblis abschalten will. Mit Kuhnt hat sich Bernhard gerne und intensiv angelegt. Und mit dem Boss von Siemens. Und mit dem des früheren Veba-Konzerns.

Der kriegsversehrte kritische Aktionär mit der Unterarmprothese ist ein von Konzernvorständen, Aufsichtsräten und unkritischen Aktionären gefürchteter Redner auf Hauptversammlungen überall in der Republik. Da klagt er an und predigt Weisheiten wie die von den nordamerikanischen Cree-Indianern: „Wenn der letzte Fluss vergiftet, der letzte Baum gefällt, der letzte Fisch gefangen ist . . .“

Eduard Bernhard gehört einer aussterbenden Art an: dem pausenlos engagierten Homo multifunctionalis oecologicus mit Sendungsbewusstsein. Seine Frau zu Hause in Kleinostheim kann davon auch ein Klagelied singen. Bernhard sitzt im Vorstand des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), ist Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald im bayerischen Landkreis Aschaffenburg und dort auch 1. Vorsitzender des Bunds Naturschutz. Seit sieben Jahren gehört der leitende kaufmännische Angestellte im Unruhestand der Störfall-Kommission (SFK) des Bundes für nicht nukleare Industriebetriebe (Chemie) an. Bei einigen Bürgerinitiativen in Bayern und Hessen war er Geburtshelfer; oder er stand ihnen mit Rat und Tat als Pate zur Seite. Bei der CSU freilich hat es ihn nicht lange gehalten: Nach seinem Umzug von Norddeutschland nach Bayern 1964 trat er den Christlich-Sozialen bei, nur um die Partei wegen ihrer „Atombombenpolitik“ nach wenigen Wochen wieder zu verlassen.

Niederlagen gab es auch – für ihn und für die Umweltbewegung. Aber auch Erfolge, auf die er heute stolz ist. Die Wiederaufbereitungsanlage in Frankenberg und den Block C in Biblis half er zu verhindern, auch die Giftmülldeponie in Mainhausen. Bundesweit bekannt gemacht hat ihn sein hartnäckiger und am Ende erfolgreicher Kampf gegen die Hanauer Atom- und Plutoniumfabriken: als Mitglied der Initiativgruppe Umweltschutz Hanau (IUH) und an der Seite von Elmar Diez (Grüne), einem anderen ergrauten Veteranen der Antiatombewegung.

Selbst wenn Bernhard zur Erholung in den Urlaub fährt, hat er selten Ruhe. Denn egal ob in den Bergen oder an der See, der Umweltaktivist neigt dazu, dort temporär Bürgerinitiativen zu gründen; vielleicht gegen die Abfallberge in den Alpen oder gegen die blauen Plastiktüten am Strand von Westerland. Und sollte das Essen schlecht sein, organisiert er gerne den Aufstand gegen den Hotelkoch.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT