Schily sieht keine Schutzlücke

Auf einem Symposium des UNHCR spricht sich Bundesinnenminister Otto Schily gegen eine Ausweitung des Asylrechts aus. Dagegen plädiert der Hohe Flüchtlingskommissar der UNO, Ruud Lubbers, für die Berücksichtigung nichtstaatlicher Verfolgung

von SEVERIN WEILAND

Ohne sie namentlich zu nennen, hat Otto Schily die Positionen der Bündnisgrünen zur Asylpolitik erneut scharf kritisiert. Er bitte darum, die „Mär von der Schutzlücke ad acta zu legen“, sagte der Bundesinnenminister gestern auf einer Veranstaltung des UNHCR zum 50-jährigen Bestehen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Dagegen bekräftigte die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, den Willen ihrer Partei, sich im Zusammenhang mit einem Einwanderungsgesetz für eine Schließung von „Schutzlücken speziell für die Opfer nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung“ einzusetzen. Ausdrücklich begrüßte sie in einer gestrigen Presseerklärung die jetzt erfolgte Aufhebung des Entscheidungsstopps für afghanische Flüchtlinge. Nun sollten Frauen, die vor der dortigen Unterdrückung geflohen seien, schnell als Asylberechtigte anerkannt werden, forderte Müller. Zudem sollte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg seine Klagen gegen die Anerkennung afghanischer Asylbewerber zurückziehen, auch sollten abgelehnte afghanische Flüchtlinge nicht mehr gegen eine frühere Ablehnung klagen müssen.

Schily wandte sich in seiner Rede gegen eine Ausweitung des Asylrechts auf die nichtstaatliche Verfolgung. Dies sei „nicht abgrenzbar“, außerdem würden dadurch „Verfahren ausufern“. Politische Verfolgung nach dem Grundgesetz sei grundsätzlich staatliche Verfolgung, betonte der SPD-Politiker und verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1989, in dem eine Begriffsklärung vorgenommen worden war.

Allerdings könne eine „quasi staatliche Verfolgung“ nach der neuesten Rechtsprechung auch von dem Taliban-Regime in Afghanistan ausgehen, sagte Schily und bezog sich damit auf jüngste Urteile. Im Sommer 2000 hatte zunächst das Bundesverfassungsgericht, schließlich im Februar dieses Jahres das Bundesverwaltungsgericht von einer fast staatlichen Herrschaftsgewalt der Taliban gesprochen. Die Gerichte hatten damit einen Ausweg für die etwa 12.000 Asylanträge gewiesen, die derzeit in Nürnberg anhängig sind. In seiner Ansprache versuchte Schily dem Eindruck entgegenzutreten, die Bundesrepublik tue nicht genug für Flüchtlinge aus Ländern mit instabilen staatlichen Verhältnissen. Politische Verfolgung käme auch für Verfolgungsmaßnahmen Dritter in Betracht, wenn der Staat „zur Schutzgewährung entweder nicht bereit ist“ oder wenn er dazu nicht in der Lage sei. Unabhängig von einer politischen Verfolgung, so betonte Schily schließlich, würden auch Menschen nicht abgeschoben, wenn ihnen eine „schwerwiegende individuelle Gefahr für Leib und Leben“ drohe.

Schily zeigte sich zuversichtlich, dass es im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes nicht nur zu einer „Straffung, sondern auch zu einer größeren Flexibilität und Zielgenauigkeit“ beim Asylrecht kommen wird.

Mit seinen Ausführungen widersprach Schily in weiten Teilen einem zuvor gehaltenen Beitrag des Hohen Flüchtlingskommissars der UNO, Ruud Lubbers. Dieser hatte die deutsche Politik zunächst dafür gelobt, dass sich ein Konsens für die Erhaltung des individuellen Rechts auf Asyl abzeichne, weniger später aber aufgefordert, sich des Themas der nichtstaatlichen Verfolgung „noch einmal anzunehmen“. Wer diese Realität anerkenne, „erweitert nicht das Asylrecht“. Auch würde es zu keiner automatischen Erhöhung der Anerkennungszahlen kommen, sondern das deutsche Recht damit an die „europäische und internationale Praxis lediglich angeglichen“.