Heiße Luft gegen Aids

UNO-Sondergipfel endet mit einem Papier, in dem die Auslassungen bedeutsamer sind als die Inhalte. Sogar die gültigen UN-Empfehlungen zum Umgang mit HIV-Risikogruppen fehlen

BERLIN/NEW YORK taz/ap ■ Aus Prostituierten werden „wegen ihres Lebenswandels Gefährdete“, aus Häftlingen „wegen ihres institutionellen Aufenthalts Gefährdete“: Mit solchen sprachlichen Pirouetten ist die UNO gestern in die Abschlusssitzung ihres Aidsgipfels in New York gegangen.

Die Abschlusserklärung, über die in der Nacht zu heute abgestimmt werden sollte, vermeidet nach ersten Berichten jegliche Nennung von Risikogruppen und gefährlichen Verhaltensweisen in Bezug auf HIV-Infektionen.

Damit bleibt die Forderung nach klarer Sprache im Kampf gegen Aids, die UN-Generalsekretär Kofi Annan zum Gipfelauftakt aufgestellt hatte, unerfüllt. Herausgefallen aus der Erklärung sind sogar die seit fünf Jahren gültigen Empfehlungen des UN-Aidsprogramms für ein Ende der Kriminalisierung von Homosexualität und Prostitution sowie für eine Versorgung von Gefängnisinsassen mit Kondomen und sauberen Injektionsnadeln.

So sind wesentliche Bestandteile des Dokumententwurfs, der im Mai fertiggestellt worden war, dem Druck konservativer islamischer Regierungen zum Opfer gefallen. Diese zögerten trotzdem gestern noch, die Endfassung des Schlussdokuments zu akzeptieren. So waren selbst gestern Abend weitere Änderungen nicht ausgeschlossen.

Nicht gestrichen wurden eine Reihe ambitionierter Zielsetzungen. So sollen bis 2003 alle UN-Mitgliedstaaten Aidsbekämpfungsprogramme erarbeiten. Die Zahl der HIV-infizierten Kinder soll bis 2005 um 20 Prozent und bis 2010 um 50 Prozent sinken. Bisher vorgesehene Zielsetzungen für die Stärkung von Frauenrechten und die Erarbeitung von Antidiskriminierungsgesetzen sind verschwunden.

Der ägyptische Diplomat Amr Raschdi, der die Blockadefront der islamischen Länder angeführt hatte, erklärte, sein Land könne mit dem Dokument leben. Weniger zufrieden zeigte sich UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson. Sie kritisierte, in vielen Ländern würden bestimmte Gruppen, deren Angehörige unter Aids besonders litten, ignoriert. „Wenn diese Gruppen nicht anerkannt werden, kann die Zahl der Infizierten nur steigen“, sagte sie. D.J.

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