Erste Messe für Fische ohne Fahrrad

Die SingleWorld in Wiesbaden macht als weltweit erste Messe für Single-Produkte vor allem fit für die Partnersuche. Die Zahl der Einpersonenhaushalte hat sich seit 1957 verdreifacht. Den größten Anteil daran haben die über 55-Jährigen

aus Wiesbaden HEIDE PLATEN

Die Teams an den Ständen sind alle super gut drauf, die Corporate Identity tragen sie auf den Leibchen, und alles ist Ambiente. Auch Diana Schnabel strahlt. Ihre Firma richtet in Wiesbaden die weltweit erste Messe für Alleinlebende, die „SingleWorld 2001“, aus. Das Konzept ist schlicht: „Ausstellung, Attraktion, Parties – die SingleWorld als Gesamterlebnis“. Sportive Teamer und Trainer laufen, rollern, joggen und jumpen seit Donnerstag durch die Rhein-Main-Hallen.

Eigentlich ist der so umworbene Single ein der Marktforschung längst bekanntes Wesen, das sich vermehrt, obwohl es allein lebt. Deshalb, so das Kalkül der Veranstalter, sei es in der sich verändernden Bevölkerungsstruktur auch eine ökonomische Größe, die der besonderen Zuwendung bedürfe. Zum Beweis gab sich der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Johann Hahlen, zur Eröffnung der Verkaufsausstellung die Ehre. Er stellte fest, dass der Single als solcher „statistisch schwer zu erfassen ist“. Single, so Hahlen, sei eben nicht gleich Single, das Einkommen sehr unterschiedlich. Die „sehr, sehr große Vielfalt“ reiche vom konsumfreudigen Alleinlebenden bis zu allein erziehenden Müttern und Sozialhilfeempfängern. Durchschnittlich 36 Prozent der 38,1 Millionen Haushalte, habe der Mikrozensus im Mai 2000 ergeben, seien in der Bundesrepublik mittlerweile Einzelunternehmungen, Tendenz in West- wie Ostdeutschland vor allem in den großen Städten steigend. Die größte Single-Gruppe sei mit 50 Prozent immer noch die der Älteren ab 55 Jahren. Seit 1971 aber hätten die 25- bis 55-Jährigen kräftig aufgeholt. Ihre Zahl stieg von 25 auf 42 Prozent. Insgesamt haben sich die Einzelhaushalte seit 1957 verdreifacht.

Was aber kann ein konsumorientierter Single – Durchschnittseinkommen 3.070 Mark – brauchen, das eine Patchwork-, Klein- oder Großfamilie nicht auch brauchen könnte? Fast alle 106 Messeanbieter wissen ganz genau, was Singles wirklich dringend nötig haben, wenn sie nicht traurige, einsame Wesen am Katzentisch des Lebens bleiben wollen: mindestens eine Zweierbeziehung.

Der Weg dahin ist vor allem mit Dienstleistung gepflastert: Fitnessprogramme, Wellnesskuren, Bodystyling bis zum Fettabsaugen, Tanzkurse, Gruppenreisen, Sprachkurse, Anleitung zum Flirten, Partnervermittlungsagenturen online oder in Echtzeit, Kontaktanzeigen und Tuchfühlung bei „Fisch sucht Fahrrad“-Single-Partys.

Der genuine Single ist immer aktiv. Oder verfolgt wenigstens das Prinzip Hoffnung auf die Traumfrau oder den Märchenprinzen in der fernen Zukunft und konsultiert Wahrsager, Handleser, elektronische Orakel. Wer dennoch einsam bleibt, der kann sublimieren: sein Geld in Börsen-Clubs anlegen, sich in Geduldspielen üben, in der Trend-Lounge im Freifallsimulator zappeln, tauchen lernen oder sein Selbstwertgefühl beim unvermeidlichen Bungee-Jumping stärken.

Zum diesjährigen „Gesamt-Event“, das noch bis morgen geöffnet ist, erwartet Diana Schnabel rund 30.000 Besucher. Sie erhofft sich „die Schaffung einer Schnittstelle für den direkten Dialog zwischen Unternehmen und Singles“ und „Inspiration für die Wirtschaft zur Entwicklung neuer Single-Produkte“. Ein Hersteller von Kochgeschirr hat den hart gesottenen, echten Single, den Soziologen als aus freiem Willen und fester Überzeugung für längere Zeit allein lebend klassifizieren, bereits im Blick. Er bietet eine Einpersonenkochplatte mit Keramikfeld und Henkeln an: wer immer allein isst, braucht auch nur einen Topf. Und die Massage von Kopf bis Fuß erledigt der Massage-, Wellness- und Relaxsessel „Vincent“ mit „der Fingerfertigkeit eines echten Masseurs“.