: Viel Lärm um Boot und Spiele
■ Kräftemessen auf Kosten der Natur: Powerboat-Rennen vor Travemünde
Ob Wagenrennen in antiker Arena oder Formel-1-Parcours im 21. Jahrhundert – egal mit wie vielen Pferdestärken erwachsene Männer um die Wette fahren, noch immer gelingt es ihnen, die Neugier der Massen zu entfachen.
Ein schnelles Powerboat-Rennen, drumherum Nippes-Händler, Bungee-Kran, Würstchenbuden, , ein Scorpions-Konzert und ein DJ-Marathon am Strand sollten am Wochenende beim German Grand Prix 2001 der Class 1 World Off-shore Championship in Travemünde die Massen ziehen. Tatsächlich pilgerte sogar der eine oder andere an die Strandpromenade, um einen Blick auf die 13 bis 15 Meter langen Dröhn-Boote mit bis zu 2500 PS zu ergattern. Derweil mussten in der Lübecker Bucht die ohnehin geplagten Dorsche und Uferschwalben, die Schweinswale und Miesmuscheln plötzliche Krachattacken aushalten. Unbekannt blieb, wie viele Opfer unter der Küstenfauna dieser Sport verursachte, der 1990 Caroline von Monaco zur Witwe gemacht hatte.
Schon im Vorfeld hatten Spielverderber aufgemerkt: Umweltschützer äußerten ihren Unmut über „das schlechteste Beispiel für Freizeitbetätigung auf dem Wasser“. Als unpassend für das Tourismusleitbild des Ostseeheilbades Travemünde bezeichnete der Sprecher der Grünen aus Timmendorfer Strand, Felix Benary, die Veranstaltung. Auch die Lübecker Grünen und die SPD me-ckerten – nicht zuletzt, weil die Hansestadt nach dem Rennen 1999 auf erheblichen Kosten sitzen geblieben war. Damit die Zuschauer weder sich selbst noch das Brodtener Steilufer gefährdeten, verlief der Kurs diesmal nicht wie 1999 parallel zur Küstenlinie. Dafür sollte eine enge Kurve die Aufmerksamkeit des Publikums – laut Veranstalter 80.000, nach Angaben der Polizei 40.000 Menschen – direkt vorm Strand bündeln.
Lag es an den Warnern, dass weit weniger Zuschauer als erwartet dieser für den Klimaschutz Zeichen setzenden Veranstaltung beiwohnten, bei der mal so zum Spaß schätzungsweise 20.000 Liter Treibstoff in die Atmosphäre geblasen wurden? Lag es am nur bedingt sonnigen Wetter oder an der Formel-1-Konkurrenz der Schumi-Brüder? Oder an der ökologischen Vernunft?
Die Zweierteams, bestehend aus dem Fahrer und dem Throttleman, dem für Navigation und Gasgeben zuständigen Co-Piloten, kamen aus Skandinavien, Italien, England und Frankreich. Und natürlich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten: Gleich mit zwei Teams, den Weltmeistern des Jahres 2000 „Victory 1“ und „Victory 7“, war Dubai am Start, immer bestrebt, den Absatz fossiler Brennstoffe weltweit in Schwung zu halten.
Als Höhepunkt des Remmidemmi-Wochenendes durchpflügten zwölf Geschosse mit jeweils 2500 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern gestern die See – in zwölf Runden von je zehn Seemeilen. Zunächst lag die „Spirit of Norway“ vorne, die sich aber in der sechsten Runde überschlug. Glücklicherweise wurden die Fahrer dabei nicht verletzt. Das gewisse Rammstein-Feeling stellte sich erst ein, als die „Victory 1“ in der elften Runde von starkem Wind fast aus der Kurve getragen wurde und dem Pulk von Zuschauern auf Segel- und Motoryachten gefährlich nahe kam.
Übrigens heulte „Jolly Motor“ als erster über die Ziellinie, musste sich aber den ersten Platz mit „Victory 1“ teilen: Dem Victory-Team wurde ein 60-Sekundenstopp gutgeschrieben, den es anständigerweise nach dem Unfall der „Spirit of Norway“ eingelegt hatte, um den Verunfallten zu helfen.
Die Fahrer zumindest waren begeistert von dem Parcours. Ebenso Veranstalter Andreas Schipplick, der das Powerboat-Rennen auch 2002 etablieren will. Wir empfehlen dafür schon mal ein schönes Motto: Too much power, too little brain. Julia Kossmann
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