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Großformate für Großgewachsene

■ In Oldenburg in Oldenburg hat die Lieblingsjahreszeit der Oldenbürger begonnen: Es ist Kultursommer

atsächlich, er lichtete sich dann doch noch, der Oldenburger Kultursommerhimmel, Regenschirme und Ostfriesennerz konnten zu Hause bleiben. Ansonsten war es dann wie immer, das heißt: wie seit kurzem immer, bei der Eröffnung des Oldenburger Sommerfestivals. Denn seit vier Jahren veranstaltet die „Kulturetage“ das Festival im Auftrag der Stadt, und „Die Etage“, wie sie im Volksmund heißt, hat nun mal eine Vorliebe für Straßentheater. Und das heißt für die meisten, die nicht stundenlang an der Absperrung ausharren wollen um ihren Sahneplatz zu sichern: Nackenstarre, Geschiebe und Gedränge und doch nicht viel sehen.

Immerhin beeindruckt das „Theater Titanick“ aus Münster mit dem Stück „Insect“ durch virtuos eingesetztes Lichtspiel, das eine surreale Atmosphäre im Spiel von Rot mit Grün erzeugt. Über unseren Köpfen thront eine Riesenbiene oder so, auf einem monströsen Reifrock mit tentakelgleichen Armen hält sie ihr Fußvolk in Schach: Libellenflügel flattern aufgeregt irgendwo da unten, den Blicken einmeterundsechzig kleiner ZuschauerInnen entzogen. Ein glühäugiges Insekt tummelt sich in einer beleuchteten Wabenkugel, die über den Flügeln und Fühlern da unten gondelt, und dieser flirrige Faun gibt den Befehl zum Angriff auf die Italienisch sabbelnde königinnengleiche Matrone: Commedia dell'Arte im Großformat, viel Technik, Licht und Feuerwerk.

Das Programm der Oldenburger Lieblingsjahreszeit hat sich gewandelt. War unter der Regie der Stadt noch jeden Abend was los, umsonst und draußen, auf dem Rathausmarkt, dem Schlossplatz oder im Park, so gibt es jetzt nur noch fünf große Konzerte (Salif Keita, 10. Juli; Chico Cesar, 11. Juli; Tim Fischer, 12. Juli; Calexico, 13. Juli und Bill Evans, 14. Juli) für ohne Moos und unter freiem Himmel. Aber im Schlosshof kann man vom 26. bis 28. Juli ein kleines, feines Latin-Festival erleben – gegen Geld und mit Ohrenschmeichlern wie der jungen brasilianischen Popdiva Andrea Marquee. Und so was wie einen Paradigmenwechsel scheint es auch zu geben, in der Programmgestaltung. Denn statt teure Bands von weither zu holen, können auf dem Rathausmarkt lokale und regionale Größen (wie die treibenden „Smells Funky“ aus Oldenburg, 21. Juli) ihr Publikum zum Zappeln bringen.

Auch bei den sonstigen Theaterveranstaltungen scheint diese Devise zu gelten, wobei eine Selbstbefruchtung der Kulturetage mit dem ihr bereitgestellten Etat nicht zu übersehen ist: Sämtliche Theaterdarbietungen sind vom Ensemble der „Etage“ erarbeitet oder co-produziert bzw. von Schauspielern und Regisseuren aus deren Dunstkreis. „Shakespeare, Mörder, Pulp Fiction“ dürfte nach einer Vorlage des Ex-Oldenburger Staatstheaterdramaturgen und inzwischen preisgekrönten Autors John von Düffel einigen schwarzen Humor bieten (Premiere: 3. Juli, 20.30 Uhr, Lambertikeller).

Etwas abseits der großen Schlaglichter hat das Literaturbüro der Stadt Oldenburg eine spannende Reihe initiiert: die „Lyrik-Night-Live“. Immer dienstags um 22.30 Uhr werden junge AutorInnen lyrische Klangwelten mit Musik entwerfen – supranational, wie die Dichter aus „Epibreren“ (D/NL) am 17. Juli, interdisziplinär und transtextuell, wie Urweider/Kobus mit ihrer „Poetischen Pyromanenrevue“ (31. Juli). Jedenfalls hat die Leiterin des Literaturbüros, Monika Eden, wohl den Trend der jungen Lyrik genau erkannt und wird bestimmt ihr Publikum finden, das sich ansonsten in der Oldenburger Slammer-Szene tummelt.

Auch immer fein: die Konzertreihe „Neue Musik im Schlossgarten“ (organisiert von „Oh-Ton“), zwischen Rosen und Rhododendren, immer wieder sonntags um 15 Uhr – ein Prima-Picknick-Platz.

Marijke Gerwin

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