Attacke gegen den Osten

Vor den Eierwürfen putschte die CDU das Alex-Publikum auf: „Lernt erst mal wieder, was es heißt, zu arbeiten“, rief der Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz dem „Gesindel“ zu

Architektonisch ist der Alex ein großer, freier Platz, aber politisch ein unübersichtliches Pflaster. Auch wenn sich vielleicht nie endgültig ermitteln lässt, wie es zum gewaltsamen Eklat bei der CDU-Kundgebung gekommen ist – es war auch ein culture clash.

Zwischen den glitzernden Hochhäusern am Potsdamer Platz passten die Limousinen von Angela Merkel und Edmund Stoiber noch ganz gut ins Stadtbild. Oben auf dem Podium fragt der Einheizer von der Berliner CDU: „Wie empfinden die Menschen in Bayern den Sündenfall der SPD?“ Er meint die Zusammenarbeit mit der PDS. „Sie dürfen nicht vergessen, wir haben für die Wiedervereinigung alles gegeben“, sagt Edmund Stoiber, als seien einst die Gebirgsjäger persönlich gegen die Mauer vorgerückt. Dann fordert der Ministerpräsident „Perschpektiven“ für Berlin, und wie um zu zeigen, dass man sich mit einem bayerischen Dialekt in der Hauptstadt nicht verstecken muss, sagt er es noch ein zweites Mal, „Perschpektiven“. Am Potsdamer Platz gibt es dafür höflichen Beifall.

Am Alexanderplatz dagegen, mitten in der einstigen Hauptstadt der DDR, wirkt der Polittross, als sei das Raumschiff Bonn gelandet. Es ist ein Anblick, wie er sich seit dem Regierungsumzug häufiger bietet, wenn Bundespolitiker ausziehen, das wirkliche Leben zu entdecken. Dann bewegen sie sich wie Marsmenschen durch diese Stadt – ungerührt von Berlins Widersprüchen und ungeachtet seiner eigentümlichen Grenzen, nicht nur zwischen Ost und West, auch zwischen Arm und Reich.

Friedrich Merz hat das zu spät gemerkt. Der Vorsitzende der Unionsfraktion hatte erst seine 45 Gäste „aus meiner westfälischen Heimat“ begrüßt, dann den Buhrufern im Publikum geraten: „Es wird Zeit, dass Sie mal um 7 Uhr aufstehen und wieder lernen, was es heißt, zu arbeiten!“ Das mit den Westfalen könne er doch nicht sagen, empört sich ein Zuhörer, „weil wir sind hier in Berlin, die Berliner sind eigen“. Merz' Attacke wird als Angriff des Westens auf den Osten verstanden. Als das Pfeifen lauter wird, wettert Merz gegen das „Gesindel“ auf dem Alex. Endgültig ist die Menge aufgebracht. Gewiss, auf den Stufen vor dem „Kaufhof“ sitzen Penner zwischen Bierdosen und Pommesresten. Doch dort sitzen auch die Punks vom Alex, die zum Platz gehören wie der Fernsehturm, und von denen die Legende geht, sie seien viel netter als ihre Westkollegen am Bahnhof Zoo.

Vom Dresscode lässt sich am Alex schlecht auf politische Überzeugung schließen. Die Frau, die „Haut ab hier!“ schreit, trägt ein Ralph-Lauren-Cap. Und Fabian Schmitz von den Jusos, die Flugblätter verteilt haben, trägt ein Marc-O'Polo-Shirt, mit dem er als Ordner der Jungen Union durchgehen könnte. PAT