„SPD und Grüne haben ihr Ziel nicht erreicht“

Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen, gibt den Kampf um ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft nicht verloren

taz: Die Grünen wollten verbindliche Regelungen zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft. Was halten Sie von der jetzigen Vereinbarung mit der Wirtschaft?

Die Vereinbarung erfüllt in keiner Weise das Ziel der rot-grünen Koalition, Frauen in der Privatwirtschaft zu fördern. Es handelt sich um eine reine Absichtserklärung. Die Wirtschaft hat nicht einmal eine Selbstverpflichtung abgegeben.

Im Koalitionsvertrag war sogar von einem Gesetz die Rede. Ist nun nicht ein zentrales Wahlversprechen gebrochen?

Hier wurde eine ganz große Chance vergeben, nämlich die Wirtschaft zur Gleichstellung zu verpflichten, ihr aber zugleich große Spielräume bei der Umsetzung zu lassen. Ich weiß nicht, ob sich das nicht zu einem Bumerang entwickelt. Denn es waren die Frauen, die Rot-Grün zur Mehrheit verholfen haben, und diese Frauen werden nun sehr enttäuscht sein.

Ist das Papier nicht auch eine Niederlage der Grünen, die bis zuletzt ein Gesetz forderten?

SPD und Grüne haben ihr Ziel leider nicht erreicht. Ich hätte mir gewünscht, wenn die Frauenministerin sich rechtzeitig Unterstützung beider Fraktionen eingeholt hätte. Man hätte die Diskussion nicht so lange hinauszögern dürfen. Nun kommt sie zu einem unglücklichen Zeitpunkt – erst das Betriebsverfassungsgesetz und das Dosenpfand, nun die schlechteren Wirtschaftsdaten. Ich glaube, vor einem Jahr wäre die Ausgangsposition besser gewesen.

Im Herbst steht der Wahlkampf vor der Tür. Wie wollen Sie ein Gesetz da durchsetzen?

Wir bleiben dabei. Wenn wir es in dieser Legislaturperiode nicht schaffen, dann in der nächsten. Wir sind bei den Frauen im Wort.

Glauben Sie, das wird den Kanzler beeindrucken?

Ich hoffe, daß auch der Kanzler erkennt, wie wichtig Frauenförderung ist. Im übrigen sieht das Grundgesetz vor, daß der Staat Benachteiligungen abbauen muß.

Die SPD will aber keine Gesetzesinitiative mehr mittragen. Was werden die Grünen nun tun?

Der Ball ist bei der SPD-Fraktion. Schließlich hat sie noch vor vierzehn Tagen ein Gesetz angekündigt, wenn es keine Selbstverpflichtung gibt.

Eine Hoffnung habe ich noch: Es wird jetzt eine neue Gleichbehandlungsrichtlinie der EU geben. Diese wird wahrscheinlich sehr weit über das hinausgehen, was nun in der Vereinbarung steht. Dass wir in Deutschland darauf warten, bis uns das EU-Recht dazu verpflichtet, finde ich bedauerlich und kurzsichtig.

INTERVIEW: NICOLE MASCHLER