: Mann unter Einfluss (von Alkohol)
Wahnsinn, der in Hamburg bisher nur auf dem Japan-Festival zu sehen war: Ab sofort ist Sabus Film Monday drei Wochen lang im 3001 zu sehen ■ Von Dirk Schneider
Was macht man, wenn man eines Morgens alleine in einem Hotelzimmer aufwacht und nicht mehr weiß, wie man dorthingekommen ist? Man kramt in seinem Gedächtnis, kann aber nicht sicher sein, ob es sich bei den vagen Erinnerungen um Traum oder Wirklichkeit handelt. Also sucht man nach Indizien, Beweisstücken. Die finden sich in Jackett und Hosentaschen, vielleicht auch als blutverschmierte Visitenkarte unter der Schuhsohle, oder als Pumpgun neben dem Bett.
Und wenn das alles ein zu unglaubliches Bild davon abgibt, was man in den letzten 24 Stunden getrieben hat, liest man Zeitung wie einer, der von einem Horrortrip runterkommen will. Aber dort entdeckt man sein eigenes Bild, mit der Knarre in der Hand, und jetzt kann man auch den Fern-seher einschalten, in dem gerade eine Live-Übertragung von einem Polizeieinsatz zu sehen ist. Schauplatz: ein evakuiertes Hotel, Ziel des Einsatzes: man selbst.
Jeder träumt davon, ein anderer zu sein. Viele träumen davon, wie Travis Bickle aus Taxidriver einmal so richtig aufzuräumen. Koichi Takagi, kleiner Angestellter und Anti-Held in Monday (1999), hat nie von so etwas geträumt. Er hat nur aus Angst vor einem Yakuza-boss viel zu viel getrunken und entdeckt, wie viel Spaß ihm ein paar Dinge machen: Frauen beeindru-cken, Menschen erschießen. Dass er dabei nur Bösewichte abknallt, erscheint wie ein Zufall. Aber irgendwie kommt es einem hier auch so vor, als sei die Chance, dass eine beliebig abgefeuerte Kugel einen guten Menschen trifft, in unserer Welt ohnehin eins zu tausend.
Als Takagi realisiert, was er getan hat, macht er sein Testament. Er bedankt sich bei seiner Mutter für das gute Essen, bei seinem Vater für die Spiele, die er mit ihm als Kind gespielt hat. Die Geschwister ermahnt er, dass sie sich um den Hund kümmern sollen, und gibt detaillierte Anweisungen für die Gartenpflege. Es ist Montag, das Wochenende ist vorbei, es muss wieder Ordnung geschaffen werden. Aber es ist noch Whisky in der Flasche ...
Regisseur Sabu aka Hiroyuki Tanaka schwelgt auch in Monday, seinem vierten Film, in einer Melancholie, die kurz davor ist, in Zynismus umzukippen. Sabus Helden sind einfache, ja beschränkte Menschen, die plötzlich aus ihrem Trott gerissen werden und dadurch zum ersten Mal so etwas wie das „wahre Leben“ kennen lernen. Dabei werden sie so übermütig, dass sie sich sofort für eine gute Sache opfern. Es scheint, als hätten sie nur darauf gewartet, dass ihr Leben einen Sinn bekommt, um es endlich beenden zu können. Sabu hat kein Mitleid mit diesen Spießern, stattdessen lässt er sie einmal aufleuchten und dann verglühen. Er macht sie zu Helden für einen Tag, zu Filmhelden.
In einer chronologischen Erzählung hätten sich die Episoden des Films kaum überzeugend aneinander gefügt. Als Erinnerungsbruchstücke an einen Vollrausch montiert, wird jede einzelne zum Juwel, und ihre Skurrilität wirkt keineswegs angestrengt. Wenn die Kamera eine Glasmurmel bei ihrem Lauf über einen Bartresen verfolgt, die schließlich vom rotlackierten Finger einer geheimnisvollen Fremden gestoppt wird, ist die Ironie nicht zu übersehen. Aber die Schönheit der Bilder zieht einen in den Bann, so dass diese merkwürdige Mischung aus Verzweiflung und Leichtigkeit entsteht, wie sie den Coen-Brüdern so gut gelingt. Und lange gab es nicht mehr eine bei aller Überzeichnung so wunderbare Tanzszene wie die Takagis mit einer Yakuza-Braut. Die großen Gesten der Darsteller wie auch der Kamera kommen hier mit der angemessenen Beiläufigkeit daher, die jede Ein- oder auch nur Zweideutigkeit vermeidet.
Man darf bei Sabu auf keinen tieferen Sinn hoffen, seine Haltung ist seine Ästhetik. Zum Schluss lässt er seinen Helden ein ergreifendes Plädoyer gegen Waffengewalt halten, und man glaubt für einen Moment an eine Moral der Geschichte. Doch ganz schnell wird einem der doppelte Boden unter den Füßen weggezogen, und man gibt schließlich alle Verstehensversuche auf. Wie erleichternd.
täglich, 20.30 Uhr (ab 12.7., 22.30 Uhr), 3001
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