Freihandel nur gegen Arbeitsrechte

Gewerkschaftsbund fordert Welthandelsorganisation auf, auf dem Treffen in Katar Kernarbeitsnormen für alle Mitglieder festzulegen. DGB-Vizechefin sieht darin keinen Protektionismus, sondern Einhaltung von „sozialen Menschenrechten“

von NORBERT PAGEL

Handelsvorteile sollten an die Einhaltung grundlegender Arbeitnehmer- und Menschenrechte geknüpft sein. Das forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern in Berlin. Anlass ist das Treffen der Welthandelsorganisation (WTO), das im November in Katar stattfinden soll. Die Agenda für das WTO-Treffen soll auf dem G-8-Gipfel Ende Juli in Genua festgelegt werden. Die Konferenz in Katar ist die Nachfolgeveranstaltung der WTO-Runde von Seattle im Dezember 1999, die damals ohne offizielles Ergebnis zu Ende ging. Grund dafür waren neben den Protesten von mehreren zigtausend Demonstranten auch die Vorbehalte der Entwicklungsländer. Diese befürchten, durch hohe Sozial- und Umweltstandards beim Handel mit den Industrieländern benachteiligt zu werden.

„Der immer wieder vorgebrachte Vorwurf, die gewerkschaftliche Forderung nach Sozialklauseln sei ein Instrument des Protektionismus, ist falsch“, sagte demgegenüber Ursula Engelen-Kefer, die stellvertretende Vorsitzende des DGB. Vielmehr sorge die Einhaltung sozialer Standards für eine nachhaltige soziale Entwicklung der betroffenen Länder. Engelen-Kefer kritisierte, dass soziale Menschenrechte vielerorts immer noch als Menschenrechte zweiter Klasse angesehen werden. „Entführungen und Verhaftungen von Gewerkschaftern sind beispielsweise in Indien, Ecuador oder China keine Seltenheit. In vielen Ländern gibt es kein Streikrecht.“

Konkret verlangt der DGB die Einhaltung von vier Kernarbeitsnormen, die bereits von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) deklariert wurden. Darunter fallen die Gewerkschaftsfreiheit, also auch das Streikrecht, die Abschaffung der Kinderarbeit, die Beseitigung der Zwangsarbeit sowie die Nichtdiskriminierung in Arbeit und Beruf. Lohnniveau und Arbeitsschutz tauchen dagegen nicht auf, obwohl die Gewerkschaften der Industrieländer gerade hier Nachteile gegenüber den „Billigländern“ befürchten. Doch Engelen-Kefer will sich nicht vorwerfen lassen müssen, sie vertrete „überspannte Ideen“, wie sie selbst sagt. Es gehe lediglich „um die Berücksichtigung grundlegender Menschenrechte“.

Nach den Vorstellungen des DGB soll ein gemeinsames Forum von WTO und ILO die Kompetenz erhalten, Rechtsgrundlagen zur Einhaltung der Kernarbeitsnormen im internationalen Handel festzulegen. Die ILO wäre überfordert, wenn sie die Sozialstandards allein in allen Ländern durchsetzen müsste, so der DGB. Die Regierungen sollten aufgefordert werden, Berichte über Fortschritte bei der Umsetzung der Kernarbeitsnormen zu erstellen, Gewerkschaften und Arbeitgeber sollten dazu Stellung nehmen. Denkbar seien auch Vor-Ort-Besuche, um die Umsetzung zu überprüfen.

Bislang hat die Praxis allerdings gezeigt, dass solche Besuche oft kaum einen Einblick in die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse in einem Land bieten. Zu oft werden Dinge gegenüber den Besuchern beschönigt oder verschwiegen.