Ermittlung um BSE

Ersatzfutter für Kälber könnte im Allgäu die Rinderseuche übertragen haben. Staatsanwalt untersucht sechs Fälle

KEMPTEN taz ■ Die Staatsanwaltschaft in Kempten ermittelt, ob billiges Kälber-Ersatzfutter, so genannter Milchaustauscher, im Zusammenhang mit der Rinderseuche BSE steht. Milchaustauscher werden Kälbern verabreicht, um die Muttermilch zu ersetzen.

Die Spur führt ins Allgäu und den Landkreis Weilheim-Schongau. „Wir haben festgestellt, dass in sechs Fällen, in denen Rinder an BSE erkrankt sind, ein bestimmter Milchaustauscher verwendet wurde – und zwar von immer der gleichen Firma“, bestätigte am Mittwoch der Leitende Oberstaatsanwalt Günter Meltendorf.

Ins Fadenkreuz der Ermittler sind Ersatzfuttermittel einer Kemptener Firma geraten, die bereits 1997 in Konkurs gegangen ist. Um einer Verjährung vorzubeugen, hat die Kemptener Staatsanwaltschaft den früheren Geschäftsführer der Gesellschaft polizeilich vernehmen lassen. Über den Inhalt des Gespräches wollte Meltendorf nichts sagen. Gegen den ehemaligen Geschäftsführer laufe aber kein Ermittlungsverfahren.

Die Mischfette, die die Kemptener Firma den Milchaustauschern beifügte, hatte sie in Unterfranken und möglicherweise im Raum Mannheim erworben. Juristisch müsse laut Meltendorf bedacht werden, dass bis Dezember 2000 der Umgang und Handel mit tierischen Fetten weitgehend ungeregelt gewesen sei. Es gehe jetzt darum, zu untersuchen, ob das Futter im Zusammenhang mit den BSE-Fällen stehe. „Es gibt einen gewissen Anhaltspunkt dafür, dass möglicherweise dieser Milchaustauscher die BSE-Erkrankung verursacht hat“, ergänzte der Oberstaatsanwalt.

Kritische Bauern haben schon längere Zeit davor gewarnt, dass tierische Fette eine Übertragungsmöglichkeit für BSE sein könnten und diese Übertragung eben durch die Milchaustauscher recht wahrscheinlich sei. Sowohl der Allgäuer BSE-Experte und Züchter Andreas Blank als auch Mitglieder des „Krisenstabes“, einem Zusammenschluss kritischer Milchbauern im Allgäu, hatten immer wieder gemahnt, es sei ein Unding, den Kälbern die Muttermilch quasi wegzunehmen, für ein paar Pfennige mehr zu verkaufen, und sie statt dessen mit billigem Ersatzfutter aufzuziehen. Vor kurzem hatte auch Bauernpräsident Gerd Sonnleitner die Theorie von der BSE-Übertragung durch Milchaustauscher noch zurückgewiesen.

Auch wenn die Erklärungen und Erkenntnisse der Kemptener Staatsanwaltschaft juristisch möglicherweise kaum Auswirkungen haben, in die Diskussion um die Ursachen von BSE bringen sie nach Ansicht mehrerer Landwirte ganz erheblichen Zündstoff. KLAUS WITTMANN