bauernboss aufmüpfig
: Rückwärts in die Zukunft

Na endlich! Wir machten uns schon Sorgen, er könnte sich beim Kreidevespern ernsthaft verschluckt haben. Doch jetzt hat Bauernpräsident Sonnleitner die alte Tonlage wieder gefunden. Auf dem Deutschen Bauerntag, dort wo die Luft stickig, die Wangen rot und die Botschaften schlicht sind, wurde der oberste Stallhüter wieder aufmüpfig. Das Hähnchen spreizte sich, plusterte sein Gefieder und krähte kräftig gegen grüne „Sonderwege“, „Agrarwenden“ und den ganzen Umwelt- und Verbraucherzirkus. Ein halbes Jahr Schamfrist hatte Sonnleitner seit der BSE-Stampede verstreichen lassen. Kleinlaut hatte er in den Talkshows den größten Verbraucheraufstand seit 50 Jahren mit eingezogenem Kopf wie ein Erdbeben über sich ergehen lassen.

Kommentarvon MANFRED KRIENER

Jetzt, da das Empörungspotenzial erlahmt, streckt er seinen Hals aus der Gülle und wird wieder frech. Er erzählt, was er immer erzählt hat: dass die Bauern alle Verbraucherwünsche erfüllen, dass vom Tier zum Teller alles in Butter sei. Und keiner ist hingegangen und hat ihm eine ordentliche Portion Tiermehl ins Wasserglas gekippt. Oder sein Redemanuskript in den Kükenvermuser geworfen, in dem jährlich 45 Millionen frisch geschlüpfte männliche Legehühner sterben. Übrigens: Tiermehl soll künftig – unter Auflagen – in Europa wieder verfüttert werden.

Sonnleitners Rede ist ein Stimmungsbarometer, das neues Selbstbewusstsein signalisiert. Der Angriff auf Künast und Höhn zeigt die neue, alte Chuzpe. Auch für Sonnleitner selbst war seine Bauerntagrhetorik ein wichtiger Test. Wie weit kann er schon wieder gehen, wie groß ist die Vergesslichkeit der Gesellschaft, wie stark die neu organisierte Verbrauchermacht? Dass er auch Schröder namentlich kritisiert, ist ein Versuch, die alte Hackordnung wieder herzustellen. Die Union, die in der BSE-Krise zu den Agrarreformern überzulaufen drohte, soll sich in alter Eintracht hinter Sonnleitners Bauernschaft stellen. Schulter an Schulter gegen Rot-Grün.

Der Auftritt von Münster war keine offene Kampfansage an Berlin, aber schon mal ein Versuch, die eigenen Reihen neu auszurichten. Noch läuft Sonnleiters Kritik unter der Überschrift „Die Bauern wehren sich“, noch sitzen Massentierhalter, Tiermehllobby und Eierbarone in der Defensive. Ob sie dort bleiben, ob die gesellschaftliche Unterstützung für eine andere Landwirtschaft hält, ist offen. Jetzt muss sich zeigen, wie stark die Bataillone der Agrarwende wirklich sind.

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