Der Zuwanderungsdruck steigt

Was dem Bericht der Süssmuth-Kommission alles fehlt: Viele Ansätze bleiben halbherzig, kritisieren MigrantInnenorganisationen und die beiden Kirchen

BERLIN taz ■ Mit Zustimmung, aber auch Verbesserungsvorschlägen und Kritik reagierten Migrantenorganisationen und Kirchenvertreter auf den Bericht der Süssmuth-Kommission zu Zuwanderung.

Hakki Keskin, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands (TDG), die rund 800 türkische Vereine repräsentiert, kritisierte gestern in Hamburg, dass der Bericht sich „zu stark an den Interessen der Wirtschaft“ orientiere. Wenn nach den USA auch Deutschland beginne, den Schwellenländern die qualifiziertesten Kräfte abzuwerben, könnte dies im europäischen Ausland schnell Nachahmer finden, fürchtet der Soziologie-Professor: „Das wird die Polarisierung von Arm und Reich noch verstärken und den Zuwanderungsdruck aus diesen Ländern noch mehr verschärfen“.

Als „Meilenstein“ bezeichnete Memet Kilic, der Vorsitzende des Bundesausländerbeirats, in dem rund 400 kommunale Ausländerbeiräte zusammengeschlossen sind, den Bericht der Regierungskommission. Kilic kritisierte jedoch, dass viele Ansätze „halbherzig“ blieben, beispielsweise die Regelungen zum Familiennachzug oder zum Arbeitserlaubnisrecht. So sollen niedrig qualifizierte Arbeitskräfte nur zeitlich begrenzt und ohne Familien einreisen dürfen. Zudem richteten sich die Integrationsangebote nur an die Zuwanderer, notwendig seien aber auch Maßnahmen für die aufnehmende Gesellschaft.

Ihre grundsätzliche Zustimmung zu den Vorschlägen der Regierungskommission äußerten am Donnerstagabend in Berlin auch Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche. Der evangelische Landesbischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber, kritisierte im Rahmen einer Diskussion mit Innenminister Otto Schily jedoch, dass der Schutz von Flüchtlingen, die aufgrund nichtstaatlicher oder geschlechtsspezifischer Verfolgung Asyl beantragen, nach wie vor nicht ausreichend gewährleistet sei. Darüber hinaus sei die Situation so genannter illegaler Zuwanderer, die sich seit langem in Deutschland aufhielten, keineswegs gelöst, sagte Schwester Cornelia Bührle vom katholischen Erzbistum Berlin. „Die Kirchen und Wohlfahrtsverbände sind am Ende ihrer Kapazitäten angelangt“, sagte Bührle zu Schily. Der reagierte polemisch: Man könne nun mal nicht alle Verfolgten in Deutschland aufnehmen, so Schily. Er kündigte an, die unterschiedlichen Aufenthaltsgrundlagen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge bei einer gesetzlichen Neuregelung zu reduzieren und den Status der Duldung ganz abzuschaffen.

K. KUTTER/ H. KLEFFNER