vorlauf
: Wertkonservatives Gangsterimage

Teleglobus: Schlaflos in Soweto (Mo., 21.45 Uhr, Südwest)

Die Revolution frisst ihre Kinder. Doch die wollen sich partout nicht schlucken lassen und demonstrieren dies auf ihre eigene Weise. Sie wollen Spaß, Sex, Party, gut drauf sein – und Kwaito-Musik, diesen wilden Sprechgesang, den Jugendliche aus den Townships darbieten. Politik und historische Errungenschaften des ANC sind ihnen weitgehend schnurz.

Stefan Schaafs Dokumentarfilm „Schlaflos in Soweto“ zeigt die Lebensumstände der Jugendlichen, die auch sieben Jahre nach Ende des Apartheid-Regimes noch enttäuscht und ohne Job auf den Straßen herumhängen. Nichts zu tun, Langeweile, Kleinkriminalität. Bezeichnend sind die Bilder, wenn ANC-Jugendfunktionär Malusi Gigaba vor Jugendlichen in Sowetos Schulen Reden hält, die von diesen als schale Moralpredigten begriffen werden. Von wegen, jetzt macht erst mal brav euren Abschluss. Unwillige und gelangweilte Gesichter spiegeln wider, dass diese Kids nicht mehr an politische Lösungen glauben, längst dicht gemacht haben.

Der Film zeigt, dass Rassen-, vor allen Dingen aber auch Klassenschranken keineswegs überwunden sind: Weiße und schwarze Jugendliche haben nach wie vor ihre streng getrennten Treffpunkte. Während schwarze Jugendliche in Hinterhöfen ihre Idole wie den 22-jährigen Kwaito-Sänger Mandoza feiern, der mit einem Dollarzeichen um den Hals allen beweisen will, dass er es vom Autodieb zum Star geschafft hat, vergnügt sich die weiße Jugend in Renommierdiscos.

Musik, Illusionen und diffuser Starkult bestimmen das Lebensgefühl derer, die in puncto Ausbildung, Herkunft und Karriere benachteiligt sind. Mag einer wie Mandoza seine ganze Überzeugungskraft aufwenden und wertkonservative Botschaften verbreiten, tatsächlich ist es sein Gangsterimage, das die Kids fasziniert, das bringt der Film mit beeindruckenden Bildern auf den Punkt. Die Mär der ANC-Oberen, nur wer etwas leiste und sich anstrenge, könne es zu etwas bringen – leere Worthülsen. Ein gut recherchierter Film, eine alte Lebensweisheit: Jugendliche glauben, was sie sehen, hören und spüren, Politpropaganda interessiert nicht.

GITTA DÜPERTHAL