Fahrräder mit Zug

Die Idee von Call a bike steht vor einem Neubeginn – jedoch ohne die alten Aktionäre und als Teil der Bahn. Ein Analyst meint: „Das Unternehmen scheiterte am Missmanagement des Vorstandes“

von CHRISTIAN DOHM

Die im April 2001 gegründete Bahntochter DBRent hat das Geschäft des Unternehmens „Call a bike“ übernommen. Der Konzernsprecher der Bahn, Dirk Große-Leege, stellt klar: „Wir haben nicht das Unternehmen Call a bike gekauft, sondern die Marke, die Vermögensgegenstände, also beispielsweise die Fahrräder und die Patente.“ Die Aktionäre der in Insolvenz gegangenen Call a bike AG „haben mit dem neuen Unternehmen nichts zu tun“, so Große-Leege. Den Preis, den DBRent gezahlt hat, will er nicht nennen, in Branchenkreisen ist jedoch die Rede von etwa einer Million Mark.

Die Call a bike AG war im vergangenen Jahr als Start-up-Unternehmen mit hohen Erwartungen auf Unternehmens- und Kundenseite in München gestartet. Die Idee: ein „bike on demand“ für innerstädtische Fahrten. Call a bike verteilte 2.000 silber-orangefarbene High-Tech-Bikes an Telefonzellen in der Münchner Innenstadt. Jeder konnte sich rund um die Uhr per kostenlosem Telefonanruf in der Call-a-bike-Zentrale ein Rad ausleihen und es einfach woanders wieder abgeben. Abgerechnet wurde per Kreditkarte.

Der Versuch, das Unternehmen zu etablieren, scheiterte laut Bundesbahn an einem zu komplizierten Anmelde- und Nutzungsprozess sowie an Liquiditätsengpässen. Die Call a bike AG marschierte im November 2000 nach nur etwa sieben Monaten in ein Insolvenzverfahren.

Für den Liquiditätsengpass gebe es mehrere Gründe, so Unternehmensgründer und Vorstand Christian Hogl Ende letzten Jahres. Die Münchner Stadtsparkasse habe demzufolge einen benötigten Zwischenkredit in Höhe von 500.000 Mark nicht gewährt, der Umsatz mit den Fahrten sei nur ein Viertel so hoch gewesen wie geplant, die nur 35.000 statt 43.000 geplanten Nutzer machten nur 0,8 statt 2,1 Fahrten im Monat, und der durchschnittliche Umsatz je Fahrt läge nur bei 4,20 Mark statt bei 5,50 Mark. Heute sieht Hogl den Hauptfehler darin, „dass wir mit deutlich zu wenig Treibstoff gestartet sind und die Schwierigkeiten der Finanzierung einfach unterschätzt haben. 80 Prozent meiner Zeit habe ich damals der kurzfristigen Finanzierung gewidmet, das operative Geschäft kam zu kurz“.

Hogl ist als Leiter des Bahn-Geschäftsbereiches Call a bike nun Angestellter der DBRent und somit wieder Akteur seiner Mobilitätsidee. Hogl empfand es als schwierige Frage, ob er als führender Kopf die Idee Call a bike fortführen solle. „Ich habe mich dazu entschlossen, weil ich eine Art Mission darin sehe – die Idee ist zu gut. Man kann sie nicht einfach fallen lassen.“

Fallen lassen können die Aktionäre der in Konkurs gegangenen Call a bike AG dagegen ihre Aktien – wahrscheinlich direkt in den Papierkorb. Sie werden als Exfinanziers keinen Anteil mehr an der Idee haben. „Das Unternehmen scheiterte am Missmanagement des Vorstands“, glaubt Andrew Murphy von der Bonner Research-Agentur Murphy&Spitz Umweltconsult. Auch Hans-Jürgen Gratz, Inhaber der Bad Homburger alterra consult, die seinerzeit den Alleinvertrieb der Call-a-bike-Aktien machte, sieht es ähnlich: „Die Insolvenz der AG beruht auf Fehlern des Managements.“

„Wir glauben an die Call-a-bike-Idee und wollen, dass unsere Fahrräder in wenigen Jahren bundesweit und mit einheitlichem Qualitäts- und Preisniveau zur Verfügung stehen. Als Teil der Bahntochter DBRent sind wir dafür gut aufgestellt“, sagt Hogl. Mit der DBRent im Rücken kann Hogl nach eigener Einschätzung nun die operativen Bereiche anschieben, für die er im letzten Jahr keine Zeit fand. „Durch die Anbindung an die Bahn ergibt sich außerdem ein hohes Synergiepotenzial“, meint Hogl.

Nur den vielen kleinen Aktionären, die die Räder seinerzeit ins Rollen brachten, wird auch diese Einsicht nicht helfen – ihr Kapital dürfte verloren sein. Auf der Liste des Insolvenzverwalters Wolfgang Ott, der sich Anfang Juli aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sah, Fragen zum aktuellen Stand des Insolvenzverfahrens zu beantworten, dürften die großen Gläubiger weiter oben stehen – Fremdkapital wird vor Eigenkapital bedient. Und um alle Gläubiger zu bedienen, wären wahrscheinlich mehr Mittel nötig. Hogl sieht das auch, hat aber keine Lösung parat: „Ich bin seinerzeit ein sehr hohes Risiko eingegangen und habe aufgrund meines 26-Prozent-Anteils an Call a bike heute dementsprechend hohe Verbindlichkeiten. Es ist ein sechsstelliger Betrag.“

Der Analyst Murphy empfindet solches Verhalten als unseriös: „Es kann nicht sein, dass sich die Hauptschuldigen gegenüber ihren ehemaligen Aktionären der Verantwortung entziehen.“ Der Kleinaktionär hat die Idee finanziert, nun bedient sich ein Großer und führt die Sache fort.

Voraussichtlich ab September dieses Jahres sollen die Call-a-bike-Fahrräder zunächst wieder in München fahren – diesmal unter der Flagge der Bahn und mit einem verbesserten Zugangs- und Nutzungskonzept, wie die Bahn meint. „Mit der Übernahme von Call a bike ergänzen wir unsere Mobilitätsdienstleistungen um ein weiteres attraktives Angebot und schließen damit die Reisekette vor und hinter dem Zug“, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn am 28. Juni bei der Präsentation des neuen Call-a-bike-Konzepts in München. DBRent will ein Franchisesystem entwickeln, mit dem das Mobilitätskonzept Call a bike stufenweise in allen deutschen Ballungsräumen, großen Städten und touristischen Zentren eingeführt werden soll.

Grundlage für das neue Preissystem von Call a bike wird neben einer einmaligen Anmeldegebühr der Normaltarif sein, der aus einer Grundgebühr (3,60 Mark) sowie einer Zeitgebühr (sechs Pfennig pro Minute) besteht. Vor der Insolvenz war es billiger: pro Fahrt 1,80 Mark Grundgebühr und dann 3 Pfennig pro Minute. Für Vielfahrer soll es in Zukunft die Cabcard geben, mit der dann die Grundgebühr für jede Einzelfahrt entfällt.