DEUTSCHE UNTERNEHMER UND WIRTSCHAFTSMINISTER MÜLLER IN KUBA
: Chance für einen dritten Weg

Berlin hilft Havanna. Ausgerechnet kapitalistische Firmenmanager unterstützen den Versuch, eine Art Sozialismus zu erhalten, an dessen baldigem Ende noch vor ein paar Jahren fast niemand gezweifelt hat. Wenn Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und eine Wirtschaftsdelegation nach Kuba reisen, dann geht es natürlich um deutsche Exporte, Investitionen, Gewinne. Der Minister und die Manager mögen zwar hoffen, dass die Kooperationen den karibischen Sozialismus langfristig in eine liberale Wirtschaft umwandeln. Zunächst aber stärkt das deutsche Engagement Fidel Castro – und das heißt: schwächt den Einfluss des US-Dollars und damit den der USA.

Um Zugang zum kubanischen Markt zu erhalten, akzeptieren deutsche Konzerne recht rigide Anforderungen: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, dürfen Ausländer nur Minderheitsgesellschafter bei Joint-Ventures mit kubanischen Staatsunternehmen sein. Eigentum an Grund und Boden sowie eine freie Auswahl der Arbeitskräfte gibt es nicht. Trotzdem haben die marktwirtschaftlichen Juniorpartner aus Kanada, Spanien, Mexiko, Italien, Deutschland und anderen Staaten seit Mitte der 90er-Jahre einen bescheidenen, aber nicht zu unterschätzenden Beitrag dazu geleistet, dass Castros Regierung den Zusammenbruch des realsozialistischen Weltwirtschaftsbunds Comecon überdauerte. Außerordentlich wichtig ist der Tourismussektor: Unter tätiger Mithilfe auch des deutschen Reiseveranstalters TUI bringen Sonnenhungrige, Salsatänzer und Sextouristen nach Angaben der Regierung jährlich an die zwei Milliarden Dollar ins Land.

Neben den Touristen aus Europa sind jedoch die Exilkubaner aus Florida schon heute die wichtigsten Devisenlieferanten ihrer ehemaligen Heimat. Wenn Fidel Castro gestorben ist, werden sie sich nicht damit begnügen, Geschenke zu schicken – sie wollen ihre Immobilien und Geschäfte zurück. Ähnliche Absichten verfolgen US-Unternehmen wie Coca-Cola und DuPont, die seit der kubanischen Revolution 1959 Entschädigungen für ihren enteigneten Besitz verlangen.

Ob Kuba – gestützt auf mehrere ausländische Partnerländer – einen halbwegs selbstständigen Weg gehen kann oder sich in Zukunft wieder in eine Quasikolonie der Vereinigten Staaten zurückverwandelt, ist weder heute entschieden, noch hängt es wesentlich vom gegenwärtigen Engagement ausländischer Firmen ab. Entscheidend ist, dass die kubanische Regierung ihre Politik der Öffnung zum Markt fortsetzt, dass sie die Versorgungslage verbessert und sich damit wieder mehr Zustimmung in der Bevölkerung verschafft.

HANNES KOCH