DAS „NETZWERKZEITALTER“ BRICHT NUR IM WELTENTWICKLUNGSBERICHT AN
: Digitale Elefanten

Das „Netzwerkzeitalter“ ist angebrochen – das meint jedenfalls die UNDP, das Weltentwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Den viel versprechenden Begriff aus dem Reich des digitalen Fortschritts benutzt die Organisation in ihrem soeben veröffentlichten Jahresbericht 2001 und legt noch eins drauf: Neue Technologien seien „der Schlüssel zur Reduzierung der weltweiten Armut“. Berührungsempfindliche Bildschirme für Indien? Spracherkennung für die Sahel-Zone? E-Demokratie für Guatemala?

Die Netzwerk-Euphorie der UNDP kommt reichlich spät. In den Industrieländern müssen die überschießenden Erwartungen an Internet und Multimedia, Interaktivität und Vernetzung seit mehr als einem Jahr ständig nach unten korrigiert werden. Die Börsenkurse für Internettitel fallen rund um die wohlhabende Welt; diese Abstürze vernichten nicht nur Kapital, sondern auch die Hoffnung, all jene Versprechungen einzulösen, mit denen die Informations- und Kommunikationsbranche der Welt eine bessere Zukunft schenken wollte. Nicht nur private Risikokapitalgeber sind darauf hereingefallen, sondern auch Regierungen. Wo öffentliche Gelder in ambitionierte Technologieprojekte flossen, sind sie zu besichtigen: Multimedia-Monitore, die nicht mehr funktionieren, Interaktiv-Terminals, die längst veraltet sind, und Schulen am Netz, die ihre Telefonrechnungen nicht mehr bezahlen können.

In der entwicklungspolitischen Diskussion der Siebzigerjahre hießen solche übergestülpten Projekte „weiße Elefanten“. Ihre digitalen Nachkommen stehen glücklicherweise überwiegend in den reichen Ländern. Doch das heißt noch nicht, dass die internationalen Organisationen mit ihren knappen Geldern solche Fehler vermeiden wollen. Ausgabewütige Bürokraten haben dafür allerdings nur wenig Zeit. Die UNDP-AutorInnen brauchen 18 Monate, um einen Jahresbericht abzufassen. Darum gibt der Report 2001 den Stand von Anfang 2000 wieder, unmittelbar vor dem Ende der Internet-Euphorie. Davon werden wir im Weltentwicklungsbericht 2002 lesen. DIETMAR BARTZ