„Man kann vieles besser machen“

■ Folkrock-Ikone und Graswurzel-Demokrat: David Crosby in der Großen Freiheit

David Crosby ist das „singende Walross“ der Folkrock-Supergruppe Crosby, Stills, Nash & Young. Jetzt kommt die Woodstock-Ikone auf eine musikalische Stippvisite, im Gepäck etliche Welthits, das neue Album Just Like Gravity sowie das Buch Stand And Be Counted. Darin interviewt der 59-jährige Sänger und Gitarrist prominente Kollegen, die sich nachhaltig für die Menschenrechte eingesetzt haben. Ein Gespräch mit dem Mann, der mit CSNY und den Byrds gleich zweifach in der Rock'n'Roll Hall Of Fame verewigt ist, über musikalische Familienverhältnisse und soziales Engagement.

taz hamburg: David Crosby, vor sechs Jahren haben Sie eine Lebertransplantation glücklich überstanden und sind dreifacher Vater geworden; Im einen Fall haben Sie durch eine Samenspende dem Promi-Paar Melissa Etheridge und Julie Cypher zu doppeltem Nachwuchs verholfen. Glauben Sie an Schicksal?

David Crosby: Ich weiß auch nicht, weshalb ich in letzter Zeit so viel Glück habe. Dafür bin ich Gott auf ewig dankbar. Es ist aber auch die Musik, die mir immer wieder Hoffnung und Mut macht. Und das gute Gefühl, dass mir meine neue Band CPR vermittelt.

Dieses Lebensgefühl hat sich scheinbar auf die Musik übertragen. Das neue Album von CPR klingt erstaunlich ausgeglichen – als würden Sie mit ihrem Bandpartner und Filius James Raymond schon seit Urzeiten gemeinsam musizieren.

Ich wusste, dass irgendwo ein Kind existiert, in den 60er Jahren zur Adoption freigegeben. Als Vater hat man keine Chance, an Informationen heranzukommen, also musste ich warten, bis der Knabe mich gefunden hatte. Ich war natürlich überrascht, als mein Sohn 1995 auftauchte und offenbarte, dass er ebenfalls ein erfolgreicher Musiker sei. Seitdem wird mein Leben von Tag zu Tag schöner. Eigentlich ist die Verbindung zwischen James und mir mehr eine intensive freundschaftliche Beziehung, in gewisser Weise sind wir wie Brüder. Unsere Kids sind beide sechs Jahre alt – und sie wachsen zusammen auf.

In dem Buch Stand And Be Counted haben Sie Künstler interviewt, die mit ihrem sozialen Engagement die amerikanische Gesellschaft verändert haben: Peter Gabriel, Jackson Browne, Woody Guthrie oder Whoopi Goldberg. Was soll das Buch bewirken?

Vor mir hatte niemand etwas über Aktivismus und Musik geschrieben; über Pete Seeger, Woodie Guthrie und die amerikanische Gewerkschaftsbewegung. Ich wollte diese Geschichte endlich erzählen. Die Leute sollten dabei erkennen, dass man durch persönliches Engagement die Dinge verändern kann. Egal in welcher Stadt dieser Welt du dich befindest: man muss nur 100 Meter in eine x-beliebige Richtung laufen, um einen hilfsbedürftigen Menschen zu treffen. Man kann vieles besser machen.

Wie hat die Politik auf das Buch reagiert?

Gar nicht. Aber von den Bürgern habe ich sehr viel Zuspruch bekommen.

Wieso gibt es Stand And Be Counted nicht auf deutsch?

Das hat etwas mit Verkaufserwartungen zu tun. Die sind wohl in Deutschland nicht sehr hoch. Aber wir haben auch eine TV-Dokumentation gemacht, die wird vermutlich bei Ihnen zu sehen sein.

Haben Sie jemals für eine politische Partei gespielt?

Ja. Aber nur, weil ich Bush hasse. Deshalb habe ich mich für das kleinere Übel entschieden und für die Demokraten gespielt. George W. Bush ist ein Stinker, ein ignoranter kleiner Ganove. Ein Mensch wie er dürfte nicht ermächtigt sein, ein Land wie Amerika zu führen. Dieser Typ hat keinerlei Kontrolle über sein Wesen, außerdem ist er komplett von der Industrie gekauft. Die besitzen ihn. Kurzum: Bush ist vollkommen unpassend für den Präsidentenjob.

Sie sind bekannt für soziales Engagement und Benefiz-Konzerte. Haben Sie eine Aufgabe übernommen, für die eigentlich der Staat zuständig ist?

In manchen Fällen bestimmt. Zum Beispiel, wenn wir nach einer Katastrophe für Hilfe und Unterstützung sorgen. Oder kranken Menschen Medikamente zukommen lassen. Wir tun was wir können. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Einmal im Jahr spiele ich in meiner Heimatstadt Santa Monica eine Benefiz-Show zu Gunsten der öffentlichen Schulen. Das steht demnächst wieder an.

Woher stammen Ihre soziale Ader und Ihr Gerechtigkeitssinn?

Ich bewundere Menschen wie Martin Luther King, Ghandi oder die Folk-Legende Pete Seeger. Von ihm habe ich sehr viel gelernt. Er hat mir gezeigt, dass man aus der Welt einen besseren Ort machen sollte. Indem man Menschen vereint und nicht auseinander bringt. King und Ghandi haben mir gezeigt, dass ein einziger Mensch durchaus etwas verändern kann.

Kann man mit Musik die Welt verändern?

Das muss nicht zwangsläufig Musik sein, das kann auch eine Benefizveranstaltung oder ein Akt der Menschlichkeit sein. Ich versuche, Menschen zu inspirieren, für ihren Glauben und ihre Meinung aufzustehen.

Früher haben Sie ein ziemlich wildes Leben geführt. In den 80er Jahren hat Sie Ihre Drogensucht sogar ins Gefängnis gebracht. Hat der Knast Sie gebessert?

Sicher. Ich hatte immerhin ein Jahr Zeit, völlig nüchtern über meine Zukunft nachzudenken. Ich nahm mir vor, ein besserer Mensch zu werden. Jetzt bin ich seit 14 Jahren drogenfrei. Meine Frau und meine Musik haben mir dabei sehr geholfen. Als ich dann auch noch den ersten Teil meiner Biografie schrieb, war das wie eine Katharsis. Zurzeit arbeite ich am zweiten Teil, der die Jahre nach dem Gefängnis beschreibt.

Am 14. August werden Sie 60. Anlass für eine zünftige Party?

Eher ein Datum, dass ich lieber vergessen möchte! ÄlachtÜ Aber keine Angst, ich werde noch nicht in Rente gehen. Gerade wo die letzten Jahre zu den besten meines Lebens gehörten.

Interview: Olaf Möller

Montag, 21 Uhr, Große Freiheit 36