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barbara dribbusch über GerüchteDie Frage ist: Wer hört zu?

Sie wollen auch einmal im Leben im Rampenlicht stehen? Überlegen Sie sich das lieber noch mal

Auch ich wollte mal groß rauskommen. Es ging schief. Das lag am Wetter.

Ich war damals noch sehr jung. Es war beim Freiluftkonzert meiner Band „DLF“. Freddy wollte seiner alten, ausrangierten Gitarre noch einen letzten, gewissermaßen selbstironischen Auftritt gönnen und hatte sie deshalb an der Unterseite mit Pattex bestrichen. Der Plan ging so: Wir schmettern „Feuer und Eis, Feuer, Feuer!“ ins Mikrofon. Ich entflamme die Gitarre mit meinem Feuerzeug, Freddy wirft sie mit einem Schrei weg. Bernhard zerrt den Eimer Wasser hervor, den er hinter seinem Schlagzeug versteckt hat. Mit einem großen Schwung löscht er die brennende Gitarre, wir drehen uns um und taumeln weg ins Dunkel, uns umarmend, Scheinwerfer aus, Feuer und Eis! Es klappte nicht.

Denn im entscheidenden Moment kam der Wind. Wir dröhnten zwar unisono: „Feuer und Eis, Feuer und Eis, Feuer!“ Bernhard hämmerte auf der Basstrommel. Aber mein Feuerzeug zündete nicht. Der Wind war zu stark.

„Es lag am Wetter“, betont Freddy heute noch, wenn wir die Geschichte zur Sprache bringen. So wie jetzt. Wir sitzen in Freddys Garten. Um uns herum leuchten die in den Rasen gesteckten Fackeln. Freddy heißt inzwischen nicht mehr Freddy, sondern fast alle nennen ihn Friedrich, Friedrich M. Längst will er nicht mehr groß rauskommen, denn Friedrich lebt heute davon, dass andere groß rauskommen wollen und sich dann bei ihm ausheulen, entweder weil es nicht geklappt hat oder, fast noch schlimmer, weil es geklappt hat. Friedrich ist Psychotherapeut.

Er betreibt seine eigene Praxis, „Gummizelle für die Neue Mitte“, sage ich scherzhaft dazu. Heute Abend liegt der Therapieraum seiner Villa im Dunkel. In den vergangenen 15 Jahren haben bei ihm schon einige hundert Patienten beziehungsweise „Klienten“ auf dem Sofa gelegen oder den Ledersessel platt gedrückt. Friedrich hat also einen gewissen Überblick über die Menschen. Ich höre ihm gern zu.

Das Problem in der narzisstischen Zufuhr sei deren Sucht erzeugender Charakter, doziert er an diesem Sommerabend. „Wenn der Beifall schwächer wird, kommt das schwarze Loch.“ Das kenne ich auch aus meinem Job. Ein Kollege sagte mir neulich: „Du bist immer nur so gut wie deine nächste Geschichte.“ Wenn die nächsten Texte schwächer sind, weist der Trend schon nach unten. Und der Trend ist wichtig, wenn man berühmt werden will. Die Vergangenheit zählt nicht. Kann man es da nicht gleich ganz lassen?

Völlig falsch. Wir funktionieren anders. Meine Tochter zum Beispiel träumt davon, nur einmal in ihrem Leben, wirklich nur ein einziges Mal, „richtig berühmt“ zu sein, so wie Britney. „Es reicht, wenn es vielleicht nur zwei Jahre lang dauert“, hat sie neulich beteuert. Danach wäre ihr alles egal. Einmal Autogramme geben und sich bewundern lassen!

Aus dem Wunsch nach Beachtung müsste sich doch Politik schlagen lassen, hatten mein Kollege M. und ich schon überlegt. Der Tipp stammt von Andy Warhol: Man müsste einen eigenen Fernsehsender einrichten, dann dürfte jeder mal eine Viertelstunde vor der Kamera aus seinem tollen Leben erzählen. In einem Jahr hätten wir immerhin 35.000 Leute durch . . .

„Die Frage ist nur, wer hört zu?“, gibt Friedrich zu bedenken, während er eine erloschene Fackel wieder entzündet. „Nicht die Darsteller sind knapp, sondern das Publikum!“ Das größte Problem sei nämlich der Mangel an Aufmerksamkeit. Von diesem Mangel lebt Friedrich recht gut, denke ich. Friedrich ist Fernsehkamera und Publikum in einem. Je intimer seine Klienten von sich berichten, desto mehr fühlt er sich bestätigt. Sehr praktisch.

Nur zuhören also – das klingt einfach. Doch das Einfachste ist immer das Schwerste, pflegt Friedrich seinen Klienten zu erzählen. Das trifft auch auf ihn zu. Ich weiß von einer Klientin, dass er schon mal während einer Sitzung eingedöst und erst dann wieder aufgeschreckt ist, als ein Traum zur Sprache kam, in dem er eine nicht unwichtige Rolle spielte. Friedrich ist auch nur ein Mensch. Und eigentlich recht bescheiden.

Der Name unserer Band, „DLF“, war nämlich ein Kürzel. Es bedeutete: „Die Letzten vom Fußballplatz“. Wir hatten durch Zufall eine biografische Gemeinsamkeit entdeckt: Wenn wir uns als Kinder mit unseren Freunden zum Fußballspielen auf der Wiese trafen, wurden wir jeweils immer als Letzte in die Mannschaft gewählt. Freddy war früher recht schmächtig, Bernhard ein bisschen dicklich und ich halt immer das einzige Mädchen gewesen. „Du konntest dir aber immer noch sagen: Ich bin ein Mädchen. Aber ich war wirklich Letzter, es war echt schlimm“, versuchte mir Freddy immer klar zu machen.

Das klang logisch. DLF war wirklich eine nette Band. Feuer und Eis.

Fragen zu Gerüchten?kolumne@taz.de

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