Vorsicht, Falle!

Cosi fan tutte – alle tun es. Verführen, sich verführen lassen, fremdgehen, misstrauen, kontrollieren, leiden. Ein Karlsruher Detektiv hat die Tücken der Leidenschaft als Geldquelle entdeckt und lockt per Treuetest Männer wie Frauen in die Venusfalle

von MARIANNE MÖSLE

Freitagabend nach zehn in einer Billiardkneipe in Karlsruhe: Die Luft ist zum Schneiden dick, aus den Lautsprecherboxen blubbert Reinhard Meys Uraltsong von der grenzenlosen Freiheit über den Wolken. Klaus, Typ softer Macho, sitzt breitbeinig an der Bar, schwätzt. Eine Hübsche mit langem Blondhaar macht sich von hinten an ihn ran.

Andrea: Duuu, könntest du mir bitte Feuer geben?

Klaus (nach coolem Zögern): Selbstverständlich. Kann ich. Bitte sehr.

Andrea: Danke. Eigentlich will ich ja aufhören mit dem Rauchen, aber irgendwie hab ich noch nicht den richtigen Dreh gefunden ...

Klaus (bietet ihr einen Platz an): Magst du?

Andrea (lächelt): Nett hier. Ich bin zum ersten Mal da. Kennst du den Laden?

Klaus: Mmmmmh, ja, schon. Ich bin öfters hier, eigentlich jeden Freitag.

Andrea: Alleine?

Klaus: Nee, mit meinem Kumpel, dem Rainer.

Andrea: Das hab ich gesehen. Ich mein’ ohne Freundin?

Klaus (verächtlich): Meine Freundin? Die liegt lieber daheim vor der Glotze. Mann, die ist so bequem. Drei Jahre jünger als ich, aber manchmal hab ich das Gefühl, sie könnt‘ meine Mutter sein. Null Bock auf nix.

Andrea (schaut ihm in die Augen): Aber ich ...

Klaus: Hmmm ...?

Andrea: Ja, das Horoskop sagt, meine Sterne stehen gut. Im Zeichen der Venus. Weißt du, was das heißt?

Klaus: Klar ...

Mit überlegenem Lächeln beugt sich der Mann zu ihr hinüber. Andrea streicht ihr Haar aus dem Gesicht und erwidert seinen Blick aus melancholisch grünen Augen. Klaus hat angebissen.

Der Trick mit den Sternen klappt immer noch“, sagt Andrea knapp zwei Stunden später. Es ist weit nach Mitternacht, wir hören das Tonband ab, das sie bei ihrem Flirtangriff hat mitlaufen lassen. Unauffällig. In bewährter Spionagetechnik war es unterm Hosenbund festgeklemmt. „Wieder einer reingefallen“, sagt sie, „so ein armer Tropf.“ Schwingt da ein Hauch von Mitleid mit? Andrea fröstelt, sie hat nur ihren Job gemacht. Einen Mann angebaggert und der Untreue überführt. Auftrag erledigt.

Der Lockvogel: 36 Jahre alt, schlank, blonde Haare, Nasenstecker, große Augen, lange Beine. Den Klaus hat sie vorher nie gesehen. Außer auf einem Foto. Das schob ihr Jörg Windecker (30) von der „DSE-Sicherheit“ in Ettlingen bei Karlsruhe mit den Worten „Hier, dein Opfer. Guck ihn dir genau an, nicht dass du den Falschen erwischt“ eine Stunde vorher über den Schreibtisch.

„Eigentlich hat mir mein Mann nie wirklich Anlass gegeben, an seiner Treue zu zweifeln“, sagte Klaus’ Frau, Susanna G., und hat doch bei der Detektei angerufen. Ihre Freundin hat den Klaus mit einer fremden Frau gesehen, während sie selbst geschäftlich unterwegs war. Jetzt sei sie misstrauisch, außerdem sei ihr aufgefallen, dass ihr Mann „immer so unheimlich lieb“ zu den Frauen ist, „eigentlich zu lieb“.

Mehr zufällig ist sie dann im Internet auf die Adresse der Detektei mit dem Spezialangebot gestoßen: „Treuetest, DM 449, inclusive Tonbandmitschnitt“, hieß es da. Und: „Wissen ist besser als glauben.“ Susanna wollte wissen. „Lieber jetzt als in fünf Jahren, wenn wir vielleicht Kinder haben.“ Den Lockvogel hat sie sich aus einem Internetkatalog unter vielen anderen Schönheiten ausgesucht.

Susanna G. ist eine von zweihundert Frauen pro Monat, die ihren Partner testen lassen, vermeldet die Erfolgsstatistik aus dem Hause Windecker. Vor allem junge Frauen kurz vor der Hochzeit wollen Sicherheit. Der Detektiv aus Ettlingen muss es wissen, nicht umsonst bezeichnet er sich als Erfinder des deutschen Treuetests.

1994 hat er ihn zum ersten Mal angeboten. Kurz nachdem der ausgebildete Leibwächter von Politikern wie Genscher und Kohl seinen „öden Job in Bonn“ an den Nagel gehängt hatte und „eher zufällig“ ins Detektivgeschäft hineingeschlittert war. Via Internet schaltete er 1999 sein erstes „Treuetest“-Werbebanner: der Beginn eines florierenden Geschäfts mit Liebe, Lust und Eifersucht. Die Aufträge steigen schneller als heiße Luft, mittlerweile plant Jörg Windecker Liebestestfilialen in ganz Deutschland.

Waren es zu Anfang nur Frauen, die ihren Männern Lockvögel auf den Hals hetzen ließen, so registriert die „DSE-Sicherheit“ inzwischen auch zehn Prozent misstrauische Männer. Meist ältere Ehegatten, die ihre jungen Angetrauten unter Kontrolle haben möchten. Aber nur dreizehn Prozent der getesteten Frauen stolpern in die Venusfalle, wohingegen 76 Prozent der liierten Männer nichts anbrennen lassen.

„Ich finde es besser, misstrauisch zu sein und zu wissen, mein Partner könnte fremdgehen, als wenn man blind vertraut und irgendwann so einen Knaller vor die Nase kriegt“, sagt Lockvogel Andrea. Sie selbst, Mutter von zwei Kindern, ist ein gebranntes Kind. Rein zufällig, erzählt sie, habe sie mitgekriegt, dass ihr langjähriger Lebensgefährte sie auf gemeinste Weise hinterging. Da sei eine Welt für sie zusammengebrochen. Das Vertrauen in Männer war flöten, vor einem Jahr hat sie den „Treuetest“ im Internet gefunden. „Geflirtet hab ich immer gern. Da hab ich mir gesagt, Mensch, bewirb dich. Mal kucken, ob alle Männer so schlimm sind.“

Und sind sie es? „Die meisten. Ich bin inzwischen sehr negativ eingestellt.“ Andrea sagt es lakonisch. Es gebe nur wenige Vertreter des starken Geschlechts, die ihren Verführungskünsten widerstehen. Ein bis zwei Mal pro Monat bandelt sie inzwischen mit der harmlosen Bitte um Feuer an. Grauer Rolli, schwarze Schlaghose und Lederjacke. Andrea ist kein aufreizender Typ, aber wenn sie dem Mann das Gefühl gibt, dass er der Held der Situation ist, sitzt der meist schon in der Falle. Zwischen einer halben Stunde und zwei Stunden veranschlagt der Lockvogel bis zur alles entscheidenden Frage.

Es ist fast Mitternacht, aus der Musikbox schwappt „Über sieben Brücken musst du gehn“, die Kneipe ist dicht wie eine Sardinenbüchse. Andrea hat Klaus an ein Tischchen gelotst und lässt sich ihre vermutlich zehnte Zigarette anzünden. Während sie mit einem Teelöffel das Sahnehäubchen in einer Tasse Capuccino verrührt, hebt sie langsam ihren Kopf.

Andrea: Schon cool ... Du würdest mir gefallen.

Klaus: Du mir auch.

Andrea: Was denkst du?

Klaus: Hmmm ...

Andrea: Ein One-Night-Stand, ganz ohne Stress und Eifersüchteleien? Hättest du Lust ...

Klaus: Okay. Wann gehen wir?

Denkste. Denn da fällt der aparten Frau urplötzlich ein, dass sie ihren Sohnemann anrufen muss. Draußen vor der Kneipe, weil es drinnen zu laut ist. Ohne Adieu verschwindet Andrea in der Dunkelheit.

Nein, wirklich interessante Männer habe sie in ihrem Job noch keine kennen gelernt, schüttelt sie später den Kopf. Keiner, der ihr gefallen hätte? Der Lockvogel lenkt ein: „Nett sind die Gespräche, bei denen ich auf Granit beiße.“ Das klingt doch schon versöhnlicher.

Nicht so Susanna G., die Frau von Klaus. Ohne ihm reinen Wein einzuschenken, hat sie ihren Angetrauten zunächst einmal in die Werkstatt ausquartiert. Später, sagt sie, möchte sie ihn zur Rede stellen, vielleicht. Das ist nicht ungewöhnlich, viele Auftraggeberinnen verraten ihren Männern nie etwas von dem Test und arrangieren sich treu ergeben mit dem versuchten Seitensprung.

Richtig enttäuscht und wütend sind die Frauen oft nur wegen der Lügenmärchen, die der Angetraute dem Lockvogel beim Flirtangriff auftischt. Mit der eigenen Frau laufe schon lange nichts mehr im Bett, gehört da noch zur harmlosen Rechtfertigungsvariante einer versuchten Untreue. Detektiv Windecker kommentiert das mangelnde Treueverhalten seiner Geschlechtsgenossen mit leichter Häme: „Also ich, nein, ich würd‘ bestimmt nicht drauf reinfallen.“

Obwohl er sich dessen rühmt, erfunden hat der Ettlinger den Liebestest nicht. In Amerika wird live vor versteckter Kamera verführt. Es ist der Stoff, aus dem die (Seifen-)Opern sind. Und wenn der gewiefte Detektiv den Liebestest zum Sonderpreis feilhält und alle fallen drauf rein. Was macht er anderes als Wettbruder Don Alfonso in Mozarts Operette, der seine beiden Freunde anstachelt, die Treue ihrer Verlobten zu prüfen: „Cosi fan tutte.“ Alle tun es.

Dorabella: Grausamer, versucht nicht, ein treues Herz zu verführen.

Guglielmo (für sich): Der Berg wankt. (zu Dorabella) Ich bete Euch an!

Dorabella: Erbarmen ...

Guglielmo: Gebt nach, Geliebte!

Dorabella: Ihr bringt mir noch den Tod ...

Guglielmo: Dann sterben wir zusammen, meine Liebeshoffnung. Nehmt Ihr mein Herz?

Dorabella (nach kurzer Pause und mit einem Seufzer): Ich nehm’s an.

MARIANNE MÖSLE, 41, lebt als freie Journalistin in Tübingen