Zersplitternde Pseudo-Identitäten

■ „Being Deniz Rodman“: Monolog an eine Mutter im Amerikahaus

Ein Mann allein in einer Zellengruft. Türkise Wände, denen der Mief aus jedem Loch trieft. Ein Stuhl, darunter ein Basketball. Ein Mann in schmuddeliger Jogginghose, Shirt, Baskets und einer mehrfarbigen Perücke auf dem Kopf. Der Mann ist „Deniz Rodman“. Nein, er ist es natürlich nicht, aber er gibt vor, es zu sein. Er spielt nach eigenen Regeln, versichert er. Und er ist in Einklang mit seiner männlichen und seiner weiblichen Seite. Shocking? Brüllt er uns an.

Being Deniz Rodman. Monolog an eine Mutter lautet der Titel des Stückes, das sich Regisseur Orazio Zambelletti ausgedacht hat. Beim Festival Die Wüste lebt im Amerikahaus sorgte es für verdienten Beifall. Der gebührte vor allen dem Hauptdarsteller Tugsal Mogul, der den Lebensstil der schrillen Basketballlegende geradezu exhibitionistisch entfächerte.

Eine Nacht auf einem Parkplatz brachte die Erleuchtung. „Ich beschloss, derjenige zu sein, der ich sein wollte“, sagte sich der bis dahin identitätslose Dunkelhäutige und schuf sich das ersehnte Referenzsystem. Fortan fühlte er sich nicht länger einsam, sondern bedeutend und erhaben. So wie eben sein Idol Dennis Rodman, Popstar der amerikanischen Baskettballliga, Ex-Lover von Madonna und Bisexueller mit bunten Haaren, Piercings und Tattoos.

Für den einsamen Mann im Keller zählt allein der Glaube an die Projektion, die er herausfordernd an die Menge richtet. „Lebe laut und stolz“, ist seine Devise. Erinnerungen an die Familie schleichen sich ein und werden sofort verdrängt. Selbst in gewaltbereiten Verhältnissen groß geworden, bewundert er die Rockband Pearl Jam, die „keine Angst vor Schmerzen“ hat. Ein wenig fahrig brüllt er seine Bewunderung he-raus, dann wieder murmelt er abwesend vor sich hin. Der Mangel im eigenen Leben wird zwanghaft kompensiert durch das Idol aus der Mediengesellschaft.

Aus Müllsäcken kommen Frauenkleider zum Vorschein. Schnell steigt er auf den Stuhl und hinein in den fleischfarbenen Spitzenbody. Die Strumpfhose sitzt perfekt, fehlen nur noch die Pumps, ein Negligé und ein Brillie im Ohr. Die Stimme zittert, doch er will klarkommen mit dem Irrsinn um ihn herum und „leben, als ob jede Nacht Silvester wäre“. Fast erinnert dieser Mann an einen Schizophreniekranken, doch die Krankheit, an der er leidet, ist bloß die Welt. Unübersichtlich bleibt nur die projizierte Wunschvorstellung, die bis ins Detail perfektioniert wird. Die immer neuen Varianten schaffen keine dauerhafte Befriedigung, keine Identität, und jeder Selbstbetrug findet sein Ende im Angesicht des Todes.

Annette Stiekele