Das Leben in Vereinsfarben

■ Direkt unter dem Tribünendach des Weserstadions wohnen die Fußball-Lehrlinge von Werder. Im Internat haben sie zwei Stunden Fußball täglich, ansonsten Schule wie alle

Manchmal scheinen Träume zum Greifen nahe. Auch für Christian Schulz ist es nur ein kurzer Weg bis zum Ziel seiner Wünsche. Wenn der 18-jährige Jugend-Kicker sein Zimmer verlässt, ein, zwei Schritte über den Flur geht, dann schaut er direkt hinab in das Weserstadion. Jene sagenumwobene Arena des SV Werder Bremen, in der die grün-weißen Recken noch zu Otto Rehagels Zeiten so manchen grandiosen Pokalkrimi für sich entschieden. Triumphe, denen Christian Schulz – wenn überhaupt – als kleiner Steppke mit seinem Vater auf der Nordtribüne beiwohnen durfte.

„Damals schon wusste ich, dass ich hier einmal für den SV Werder Bremen als Profi auflaufen möchte“, erinnert sich Schulz an die Zeit, als er noch für die Jugend des TSV Bassum die Stiefel schnürte. Mittlerweile stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich der Fußball-Lehrling bald das grün-weiße Dress der Bremer überstreifen darf. Seit drei Jahren wohnt Schulz im Weserstadion, direkt unter dem Tribünendach. Hier hat das Fußball-Internat des SV Werder seinen Sitz. Eine Kaderschmiede für Jung-Talente, die schon den Nationalspieler Dieter Eilts, Andree Wiedener, oder – als jüngstes Beispiel – Razundara Tjikuzu hervorgebracht hat.

Zurzeit werkeln dort 13 Kicker daran, ihren Traum von der Fußballer-Karriere zu verwirklichen. Dass auch Christian Schulz echtes Fußballer-Talent besitzt, davon ist Werder-Nachwuchsmanager Wolf Werner überzeugt: „Der Junge bringt alles mit, was ein guter Fußballer braucht.“ Nicht umsonst kickte Schulz schon über zwanzig Mal in den Auswahlmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes.

Doch vom Glanz des vermeintlich luxuriösen Profi-Lebens ist Schulz im Werder-Internat noch weit entfernt. „Wir achten darauf, dass die Burschen auf dem Boden bleiben“, sagt Wolf Werner. Ein Blick in das Appartement Nummer 18 gibt ihm Recht: Der spröde Charme eines Studentenwohnheims, knapp zwölf Quadramtmeter groß. Hier haust Christian Schulz. Der Raum ist dezent in den Vereinsfarben gehalten. Grüner Teppich, grüne Gardine, weiße Tapete. Ein Fernseher, die Stereoanlage und das Bad gehören ebenfalls zur Ausstattung. An den Wänden kleben Poster der Tennis-Schönheit Anna Kournikowa.

Wird es ihm auf der Bude langweilig, ist da noch der Gemeinschaftsraum. Ein Kicker und ein Billardtisch sollen hier für Abwechslung sorgen.

„Unser Tag ist strikt durchorganisiert“, verrät Christian Schulz. Morgens gegen sechs Uhr steht der Nachwuchs-Spieler auf. Den Vormittag lang drückt der 18-Jährige die Schulbank. Dann Essen in der vereinseigenen Gaststätte „Café Blick“. Und schließlich Mittagspause, bis ab 15 Uhr Zeit für die Hausaufgaben ist.

„Wir legen großen Wert auf die schulische Ausbildung der Jungs“, erzählt Wolf Werner. Die Eltern der Nachwuchs-Kicker treten dem SV Werder Bremen einen Teil ihrer Erziehungsgewalt ab. Die Internats-Leiterin Jutta Reichel besucht sämtliche Elternabende ihrer Schützlinge. Hat ein Schüler Schwierigkeiten, besorgt der Klub auch mal einen Nachhilfe-Lehrer. „Die Schule geht hier wirklich vor“, bestätigt Christian Schulz.

Aber ohne Pflichten geht es auch im Werder-Internat nicht. Küchendienst müssen auch künftige Profis leisten. Zimmeraufräumen inklusive. Allerdings hilft dreimal pro Woche eine Putzfrau. Laster wie Alkohol und Zigaretten sind tabu. Bettruhe ist um 23 Uhr. Mädchen dürfen die Jungs nicht mit aufs Zimmer nehmen. „Der SV Werder Bremen kann es sich nicht leisten, später noch Alimente zu zahlen“, erklärt Wolf Werner. Für eine Freundin hätte Christian Schulz auch keine Zeit, räumt er ein.

Auf dem Fußballplatz stehen die Kicker-Azubis dagegen zwei Stunden am Tag. Auf Platz 11 drehen sie ihre Runden – vis-à-vis vom Bundesliga-Team. „So hast du dein Ziel immer vor Augen“, sagt Christian Schulz. Damit Träume wahr werden, das weiß auch Christian Schulz, muss man manchmal hart arbeiten.

Matthias Anbuhl