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BRADFORD IST NUR EIN BEISPIEL FÜR DIE RASSENKONFLIKTE IN ENGLANDBurning down the house

Bildung, Bildung, Bildung – so lautete Tony Blairs Parole, bevor er 1997 Premierminister Großbritanniens wurde. Der Untersuchungsbericht über die „Rassenbeziehungen“ im nordenglischen Bradford jedoch stellt der Regierung ein in dieser Hinsicht schlechtes Zeugnis aus. Denn: Vor allem an den Schulen herrschen ethnische Segregation und „virtuelle Apartheid“. Diese Gründe seien dafür verantwortlich, dass Engländer und pakistanische Einwanderer einander immer fremder werden – obwohl ja alle Briten sind. Der ungebremste Trend weg von der multikulturellen Schule, hin zu „monokulturellen“ Bildungseinrichtungen bedeutet, dass Bradfords Kinder die meiste Zeit ihres Erwachsenwerdens im ethnischen Ghetto erleben. Unter diesen Umständen entwickelt sich rassistisches Denken geradezu selbstverständlich.

Bradford ist kein Sonderfall. Die ethnische Segregation, die der Untersuchungsbericht für Bradford beschreibt, gibt es im ganzen Land – als Segregation nach Klasse, sozialem Umfeld und Schulqualität. In den verarmten nordenglischen Industriestädten sortieren sich die ethnischen Gruppen nach Stadtteilen – im reichen Süden ziehen ambionierte Eltern mit Drang zum sozialen Aufstieg dorthin, wo sie ihre Kinder auf die „richtige“ staatliche Schule schicken können. Das strukturiert den Immobilienmarkt und damit letztlich die geografische Verteilung von Reichtum. Aber eine grundlegende Bildungsreform, die dieses Problem anpacken würde, vermeidet Blair. Stattdessen wird der Leistungsdruck auf die Schulen ständig erhöht mit dem Ziel, dass irgendwann einmal jede Schule genau gleich gut ist – eine Utopie.

Reformen wären nur möglich, wenn die Labour-Regierung die problematischste Hinterlassenschaft der Thatcher-Ära abschaffen würde: die Entmachtung von Kommunal- und Gemeindeverwaltungen, die in den 80er-Jahren jeglichen finanziellen und gestalterischen Spielraum verloren und heute nahezu bedeutungslos sind. Nach den jüngsten Gewaltakten blicken die machtlosen Lokalpolitiker Nordenglands nun nach London und warten auf Inspiration von oben. Vergebens. Die richtige Konsequenz daraus wäre: den Kommunalverwaltungen wieder Geld und Kompetenzen zu geben, damit sie autonom ihre Probleme lösen – so, wie es in den anderen Industriestaaten auch funktioniert.

Auch dies vermeidet Blair. Solche Themen sind ihm zu wenig schlagzeilenträchtig; außerdem müsste er Macht abgeben, was er nicht mag. Bevor nicht noch ein paar mehr britische Stadtzentren brennen, ist ein Umdenken in London wohl nicht zu erwarten. DOMINIC JOHNSON

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