Deutsch-deutsche Geschichte im Schnelldurchlauf

„40 Jahre Mauerbau“ – im Tränenpalast startete das Event mit einer ersten Diskussionsrunde. Fazit: Die Mauer passte Ost und West in den Kram

Dem ostdeutschen Pfarrer und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer wird der Tag ewig in Erinnerung bleiben. 1983 – der „antifaschistische Schutzwall“ war bereits mehr als 20 Jahre alt – rutschte dem ersten Parteisekretär der SED, Erich Honecker, zum ersten Mal öffentlich das Wort „Mauer“ heraus.

Zwar war in der Folgezeit noch immer von einer „Maßnahme zum Friedensschutz“ die Rede, doch seit Honeckers Äußerung, so Schorlemmer, war es auch für den „Normalbürger“ der DDR möglich, das unheilvolle Bauwerk nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand beim Namen zu nennen.

Derlei Erinnerungen an die Mauer gab es am Sonntag im Tränenpalast zuhauf. Denn im Vorfeld an die 40. Wiederkehr des Mauerbaus veranstaltete die Bundeszentrale für politische Bildung gestern dort die erste von insgesamt vier Matineereihen „Blickpunkt Mauer – im Gespräch“, in denen Historiker und Zeitzeugen, Künstler sowie Wissenschaftler aus Ost und West über das vielleicht bekannteste deutsche Bauwerk diskutieren. Mit der Reihe will die Bundeszentrale vor allem junge Leute erreichen, also diejenigen, denen die „emotionale Nähe zu dieser Zeit fehle“, so Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale. Doch die Jugend blieb, zumindest bei der Auftaktveranstaltung, aus.

Verpasst haben sie ohnedies wenig. Denn beim Thema „Die Mauer – Nachdenken über ein deutsches Bauwerk“ wurden von den Teilnehmern, dem Politologen Peter Graf Kielmansegg, dem Journalisten Götz Aly, dem Philosophieprofessor Peter Ruben, dem Verleger Christoph Links und eben Schorlemmer, hauptsächlich historische Fakten aufgezählt.

So konnte sich die interessierte Öffentlichkeit im Schnelldurchlauf in Erinnerung rufen, dass Westberlin als „Insel der Seligen“ galt oder dass jeder sechste Berliner den Ostteil verlassen hatte. Auch erfuhr man noch einmal, dass Adenauer seinen Wahlkampf ungeachtet des 13. August weiterführte und die Alliierten die Mauer akzeptierten, weil dadurch aus der „Berliner Krise die Luft heraus war“.

Für den konservativen Kielmansegg, der mit seinem Buch „Nach der Katastrophe – Eine Geschichte des geteilten Deutschlands“ bekannt geworden ist, war der Mauerbau in diesem Sinne sogar eine „historisch korrekte“ Entscheidung. Die eigentliche Dramatik des Kalten Krieges habe sich erst ein Jahr später im Zusammenhang mit Kubakrise abgespielt, so Kielmansegg.

Während Götz Aly im Schwabenland quasi nichts von der Teilung seiner Heimat mitbekommen hatte und damit in Westdeutschland sicherlich nicht alleine stand, trauerte Ruben in Berlin um diese „Kapitulationsurkunde der Kommunisten“. Kurz nach dem Mauerbau, gestand er ein, träumte er von einer Liberalisierung der DDR, auch hinsichtlich der Wirtschaftpolitik, doch der Traum war rasch zu Ende.

Persönlicher, mit weniger historischen Fakten, sollen die nächsten Gesprächsunden werden. An den folgenden drei Sonntagen stehen Matineen zu den Themen „Die Mauer – Opfer, Täter, Überwinder“, „Die Mauer – Todessymbol und Kunstobjekt“ und „Die Mauer – lebt sie in den Köpfen weiter?“ auf dem Programm. Eingeladen sind unter anderem Hasso Herschel, der durch seinen Fluchttunnel bekannt geworden ist, Journalist und Buchautor Bodo Müller, Politsatiriker Klaus Staeck und die Schriftstellerin Daniela Dahn.

NINO KETSCHAGMADSE