Ohne Liebe, ohne Musik und ohne Kleidung

Wenige Tiergartenschützer blockierten am Samstag den angestammten Platz der Love Parade. Die Polizei verhinderte Musik bei einer Demo von Technoanhängern. Nur die Hedonisten konnten auf dem Ku’damm ungehemmt für sexuelle Freizügigkeit und eine erotische Kultur demonstrieren

von der Tiergartendemo DUNJA ALFERMANN

„Schaut auf diesen Park, solang er noch steht!“ An diesem verregneten Sonnabend kann man das sehr gut. Der aufrechte Tiergartenschützer hat eine weite Sicht. Kein Raver zertrampelt die zarten Blätter – aber auch der Ansturm der Parkretter blieb aus. 25.000 hatte die Bürgerinitiative „Rettet den Großen Tiergarten“ für ihre Demonstration ursprünglich erwartet. Doch nur maximal 1.000 marschierten für das Motto „Der Tiergarten gehört allen Berlinern“. Anfangs. Auf der tradtitionellen Route der Love Parade rund um die Siegessäule gingen noch einmal über 500 Aktivisten verloren.

„Das ist ein Lärm hier“, befindet ein Passant, der eher zufällig in die Veranstaltung geraten ist. Sichtlich gefallen tut ihm die Truppe, die als Bäume und Sträucher getarnt, den kleinen Zug mit Trommelklängen anführen. Wenn es bloß nicht so laut wäre. Alles verstanden?

Das haben zumindest die Freunde der etwas lauteren Love Parade. Ihr Spektakel ist lediglich vom tradtionellen zweiten Juliwochenende auf den 21. Juli verschoben worden. Trotz zahlreicher Aufrufe im Internet sah die Ravergemeinde offenbar keinen Grund, auf der Demonstration aufzukreuzen, die der diesjährigen Love Parade um ein Haar das Aus bereitet hätte.

„Erfolg? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten“, meint die Sprecherin der Schutzgemeinschaft Großer Tiergarten e. V., Katharina Gelhaar. Das Grüppchen auf der Abschlussveranstaltung schweigt. Geduldig harren sie im Regen aus, um die Frage dennoch beantwortet zu bekommen. Stille. Dann kommt die Antwort. Ein Erfolg wäre es, wenn auf der Love Parade weniger Leute als erwartet auftauchen würden. Das Grüppchen klatscht. Zustimmung. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

„Liebe: Die Masse macht’s“, steht auf ihren Pappschildern. Der Slogan hätte den Erfolg definieren können. Doch die Sprecherin weiß sich zu helfen. „Die Love Parade zieht heute ein Publikum an, von dem die Veranstalter nicht mal in ihren schlechtesten Nächten geträumt hätten“, lautet ihr Ablenkungsmanöver. Das Grüppchen ist begeistert. Der Regen vergessen. Der Versprecher „Lasst uns die Totengräber des Senats sein“ statt des eigentlichen Slogans „Die Totengräber (des Tiergartens) sitzen im Senat“ lässt die Frage nach dem Erfolg dann endgültig vergessen. Die Aktivisten sind im Siegestaumel.

Burkhard Lenz, Sprecher der ebenfalls gegen die Raver demonstrierenden „Aktion 2000“, schlägt einen schärferen Ton an. Für ihn muss die Love Parade aus dem Tiergarten raus, um „einen der letzten konsumfreien Räume“ zu erhalten. Die Politiker im Senat bezeichnet er als „Kapitalfresser, die der Love Parade aus der Hand fressen“. Ein geübter Redner. Er betont an den richtigen Stellen. Hebt und senkt die Stimme.

Die Einheit des Zuhörergrüppchens zerfällt. Neben Bravorufen ist auch Gekicher angesichts so viel Kapitalismuskritik zu hören.

„Büsche – Bäume sind schutzwürdige Räume.“ Das Transparent ist eingerollt. Die Polizisten dösen in ihren Wagen. Die Aktivisten radeln nach Hause. Berliner führen ihre Hunde aus. Der Regen fällt auf den grauen Asphalt. Ab und zu singt ein Vogel gegen ihn an. War da was? Erfolg.