Unbeugsamer Menschenrechtler

Der syrische Journalist Nisar Najjuf hört trotz Folter und Haft nicht auf, das Damaszener Regime zu kritisieren

BERLIN taz ■ Seinen Rücken haben sie fast zerbrochen, seinen Willen nicht. Schwerste Folterverletzungen fügten die Schergen in den Gefängnissen Mezze und Sajdnaja bei Damaskus Nisar Najjuf zu. Trotzdem spricht der syrische Journalist und Menschenrechtsaktivist, erst kürzlich aus neunjähriger Haft entlassen, von großen Plänen: Ein Komitee will er gründen, um Verbrechen aus der Herrschaftszeit des verstorbenen syrischen Präsidenten Hafis al-Assad zu untersuchen. Damit muss er warten, sein geschundener Körper braucht Ruhe: Nach intensivem Einsatz der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ wurde Najjuf jetzt die Ausreise aus Syrien gestattet. Am Sonntag traf er in Paris ein, um die Folgen seiner Haft behandeln zu lassen: Magengeschwüre, Rückenverletzungen, ein Augenleiden sowie Lymphdrüsenkrebs.

Najjuf war nie ein Mitläufer, was ihn von der Mehrheit seiner journalistischen Kollegen in Syrien unterscheidet. Als Chefredakteur der Zeitschrift Saut al-Dimukratija („Stimme der Demokratie“) und Mitarbeiter der Wochenzeitung Al-Hurija („Die Freiheit“) und des Literaturmagazins Al-Thaqafa al-Ma’rifa („Die Gegenwartskultur“) prangerte er Menschenrechtsverletzungen in Syrien an. In der Stimme der Demokratie veröffentlichte Najjuf 1991 ein Papier des „Komitees zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten in Syrien“. Diese kleine Gruppe mutiger Aktivisten versuchte, Menschenrechtsverletzungen während der Wahlen 1991 bekannt zu machen. Der Zeitpunkt hätte kaum gefährlicher sein können.

Anfang der Neunzigerjahre stand die Herrschaft des Assad-Clans auf wackeligen Beinen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren die Finanzhilfen aus Moskau weggebrochen, das Nachbarland Irak hatte soeben Kuwait erobert. Ein Überfall Saddam Husseins auf Syrien schien nicht ausgeschlossen, weshalb der alte Assad erbarmungslos jede innenpolitische Kritik unterdrückte. Najjuf und seinen Mitstreitern ging es nicht darum, das syrische System grundsätzlich in Frage zu stellen. Trotzdem schlug das Regime brutal gegen die von ihr so titulierte „terroristische Vereinigung“ zu: Im März 1992 wurde Najjuf wegen „Verbreitung von Falschinformationen“ zu zehn Jahren Haft und Entzug der bürgerlichen Rechte verurteilt. Es folgten neun Jahre in 2,5 mal 3 Meter kleinen, fensterlosen Zellen und Folterkellern. Detailliert hat Najjuf beschrieben, wie er auf dem „deutschen Stuhl“, den seine Peiniger von der Gestapo abgeschaut hätten, gequält wurde: Man fesselte ihn mit dem Rücken nach unten auf eine Pritsche, die dann nach außen gebogen wurde. Najjufs Rückgrat wurde fast gebrochen, er kann sich nur mit Krücken fortbewegen.

Baschar al-Assad, der neue syrische Präsident, hat ein anderes Verständnis von der Behandlung kritischer Untertanen als sein Vater. Anlässlich des Papst-Besuches in Damaskus Anfang Mai ließ er Najjuf in Hausarrest überstellen. Als syrische Geheimdienstler Najjuf vor drei Wochen erneut verhafteten, befahl Assad persönlich dessen sofortige Freilassung. Nach seiner ärztlichen Behandlung in Frankreich und möglicherweise auch in Deutschland will Najjuf zurück nach Syrien. Sein Vater warnt ihn davor, weiter für Menschenrechte einzutreten, man werde ihn töten. „Na, und wenn schon, ich habe nichts zu verlieren“, ist Najjufs Antwort. FLORIAN ALEXANDER