Ein klares Votum für Den Haag

Kroatiens Regierungschef Ivica Racan übersteht ein Misstrauensvotum. Damit macht das Parlament in Zagreb deutlich, dass es mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeiten will. Die Debatte über Auslieferungen geht weiter

von ERICH RATHFELDER

Aufatmen in Zagreb: Der kroatische Regierungschef Ivica Racan hat die innenpolitische Krise überstanden, die im Zusammenhang mit der Auslieferung von zwei Generälen der kroatischen Armee an das UN-Tribunal in Den Haag ausgelöst worden war. Mit 93 gegen 36 Stimmen gewann der sozialdemokratische Regierungschef die Abstimmung über die Vertrauensfrage, der eine 16-stündige Parlamentsdebatte vorausgegangen war. Damit ist der Weg frei für die Auslieferung von mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrechern an das Den Haager Tribunal.

In seiner Parlamentsrede erklärte Racan, die Regierung werde mit Den Haag kooperieren. Jedoch wolle man vor Gericht alles dafür tun, die kroatische Position im „Heimatkrieg“ darzustellen. Die Zurückeroberung der von Serben besetzten Gebiete in Kroatien im Zusammenhang mit der Aktion „Sturmwind“ im Sommer 1995 stelle kein Verbrechen dar, sondern sei ein legitimer Vorgang zur Wiederherstellung der staatlichen Souveränität gewesen. Racan wies darauf hin, dass der militärischen Aktion die Vertreibung von Nichtserben aus den serbisch besetzten Gebieten vorausgegangen war. Auch diese Verbrechen sollten gesühnt werden.

In der Parlamentsdebatte zeigte sich, dass die bisher zweitstärkste Regierungsfraktion der Sozialliberalen Partei HSLS gespalten ist. Die Vertrauensfrage wurde notwendig, nachdem drei der HSLS-Minister zurückgetreten waren. Vor allem der prominente ehemalige Präsidentschaftskandidat Drazen Budisa hatte die „zu nachgiebige Haltung“ der Regierung gegenüber dem UN-Tribunal gerügt. Der Ausgang der Abstimmung zeigte aber, dass die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungslinie treu geblieben sind und dem zur Debatte nicht erschienenen Budisa eine Absage erteilten.

Die gesellschaftliche Diskussion über die Frage von Kriegsverbrechen ist damit keineswegs beendet. Die Debatte bewegt sich weit über die jetzt behandelte Auslieferung der beiden Generäle Rahim Ademi und Ante Gotvina, die angeblich auf der geheimen Liste des Tribunals in Den Haag stehen, hinaus. Im rechten Spektrum der Gesellschaft wird jegliche Kritik an der Aktion „Sturmwind“ zurückgewiesen und geleugnet, dass es zu kroatischen Kriegsverbrechen gegen die serbische Bevölkerung in den serbisch besetzten Gebieten Kroatiens gekommen sei. Dagegen erklärten prominente Intellektuelle wie der Philosoph Zarko Puhovski, die Regierung habe sich auf das Niveau der rechten Parteien begeben, weil sie in Den Haag die Rückeroberung Kroatiens verteidigen wolle und damit die „kollektive Verantwortung“ der Kroaten für den Mord an 674 serbischen Zivilisten 1995 übernehme. Stattdessen müssten die Verantwortlichen individuell ermittelt und abgeurteilt werden. Puhovski kritisierte zudem das Tribunal in Den Haag. Dieses operiere unnötiger Weise mit geheimen Listen. Bis heute sei nicht klar, wer von kroatischer Seite angeklagt werde, auch wenn Namen inoffiziell bekannt geworden seien. Damit würden Unsicherheiten produziert und zudem jene Positionen gestärkt, die kollektive Schuldzuweisungen erteilten.

In dem Krieg in Kroatien hatten serbische Truppen 1991 rund ein Drittel des Territoriums der Republik erobert und alle anderen Volksgruppen unter massiver Gewaltanwendung aus den Gebieten der Krajina und Ostslawoniens (Vukovar) vertrieben. 1995 eroberten kroatische Truppen den größten Teil dieser Gebiete zurück und lösten ihrerseits eine Fluchtwelle der serbischen Bevölkerung aus. Nach der Rückeroberung kam es zu Angriffen auf serbische Zivilisten.

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