Laxe Kontrollen einfach umgangen

Umweltministerium Stuttgart bestätigt Kontrollmängel bei der WAK in Karlsruhe, verweist aber auf Zuständigkeit des Bundes. Anonyme Warnungen bereits im April. Motiv des verstrahlten Plutonium-Diebs unklar. In Zukunft bessere Sicherheitschecks

aus Stuttgart K. P. KLINGELSCHMITT

„Eine hundertprozentige Sicherheit vor einem Täter mit hoher krimineller Energie aus dem Innenbereich wird es auch in Zukunft nicht geben.“ Das jedenfalls glaubt der baden-württembergische Umweltminister Ulrich Müller (CDU). Verantwortung für die Entwendung und den „Missbrauch kontaminierter Gegenstände“ aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) wollte er nicht übernehmen. Der Betreiber sei in die Pflicht zu nehmen, sagte Müller. Sein Ministerium habe nur die Atomaufsicht ausgeübt. Damit machte er indirekt die rot-grüne Bundesregierung für das Sicherheitsdesaster verantwortlich. Denn das ehemalige Kernforschungszentrum gehört zu 90 Prozent dem Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT).

Nach Medienberichten war das Bundesumweltministerium bereits im April mit einem anonymen Schreiben vor den Problemen in der WAK gewarnt worden. Das Schreiben sei jedoch so „unspezifisch“ gewesen, dass Trittins Beamte damit nichts anfangen konnten. Sehr spezifisch waren dagegen die 40 gemeldeten Störfälle, die sich nach offiziellen Angaben im letzten Jahr in der WAK ereigneten, die meisten von ihnen aus „technischem Versagen“. DerUmweltverband BBU verwies deshalb auf die Risiken beim WAK-Abriss.

Der „Dieb“ wurde gestern mit seiner Lebensgefährtin dem Haftrichter vorgeführt. Er hatte bereits vor mehr als einem halben Jahr den Glasbehälter mit einer braunen Flüssigkeit und mehrere kontaminierte Putzlappen aus einem Rohrkanal im Kernbereich der Anlage entwendet. Inzwischen suchen die Ermittler nach eienr zweiten Strahlenquelle aus Cäsium, weil die Frau mit Cäsium verstrahlt ist. Die strahlenden Materialien brachte der Mann dann an mehreren Ausgangsschleusen und Kontrollmonitoren vorbei nach draußen. Damit bestätigte Müller einen Bericht des Stern, wonach der in Portugal geborene Mann die radioaktiv verseuchten Lappen und das Glasröhrchen, in dem sich radioaktive Substanzen aus Produktionsresten „in der Größenordnung von Millionstel bis Tausendstel Gramm“ befunden haben sollen, vor den Monitoren einfach abgelegt und sie nach den Kontrollvorgängen wieder an sich genommen haben soll. Der Mann habe bei einem privaten Abrissunternehmen gearbeitet, hieß es.

Doch warum dieser Diebstahl? Um „auf die Lücken im Kontrollsystem hinzuweisen“, habe der Mann ausgesagt. Doch er sei „ganz sicher kein zweiter Günter Wallraff“, sagte Müller. „Wir haben es vielmehr mit einer Mischung aus krimineller Energie und Eigengefährdung zu tun.“ Verkäuflich sei das Zeug auch nicht, beruhigte Müller, dafür sei das Material zu wenig und zu verunreinigt gewesen.

Die Wohnungen des Mannes und seiner Freundin bei Landau sind jedenfalls „hoch verstrahlt“, wie Müller einräumen musste. Bis zu „100 Millionen Becquerel“ seien dort gemessen worden. Weil noch ist nicht klar ist, ob der mutmaßliche Täter andere verseuchte Gegenstände aus der WAK irgendwo „gebunkert“ hat, sei der Fall „noch nicht abgeschlossen“. Wer Kontakt zu der Familie hatte, solle sich unter der Hotline (0 63 21) 93 11 54 melden.

Konsequenzen aus dem „in Deutschland noch nie da gewesenen Fall“ für Müller? Die Kontrollstellen in der WAK sollen umgebaut werden, in Zukunft sollen alle Checks mit zwei Personen nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ besetzt werden. Auch werde geprüft, ob in der WAK wie bisher mit Fremdpersonal operiert werden könne. Und die Intensität der Überwachung im Hinblick auf „kriminelle Handlungen innen“ müsse verstärkt werden. Und das Restrisiko? Bleibt.