Gebremste Kritik am grünen Programm

Viel Ruhe und Gelassenheit bei den Grünen. Abgeordnete Buntenbach wünscht sich „linke Mitte etwas weiter links“

BERLIN taz ■ Aufruhr bei den Grünen? Nein, nicht wirklich. Der Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm ist ja der beste Beweis dafür, dass die Partei endgültig erwachsen geworden ist. Das lässt sich offensichtlich auch von der grünen Diskussionskultur sagen. So hat der Programmentwurf, der vorgestern von der Parteispitze vorgestellt wurde, am Tag danach nicht etwa zu den einst gefürchteten, ritualisierten Proteststürmen geführt.

Wie sollte er auch? An der Erarbeitung des Papiers waren nicht nur die Mitglieder der Grundsatzkommission, sondern fast alle führenden Politiker der Partei und die Chefs der Landesverbände beteiligt – alles in allem ein Kreis von fünfzig, sechzig Personen. Das hält die Kritik an dem Programmentwurf von vornherein in engen Grenzen, zumal viele Änderungswünsche am Text bereits in internen Runden vorgetragen worden sind.

So meldeten sich gestern nur einige Vertreter des linken Parteiflügels sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Soziales, Arbeitsmarkt und Gesundheit zu Wort. Sie lehnen das Grundsatzpapier nicht etwa grundsätzlich ab, sondern einzelne Passagen, Einschätzungen oder auch nur Formulierungen. Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter und Wortführer der Linken, findet, in dem Programmentwurf müsse klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass es in Deutschland gravierende soziale Probleme, dass es Armut gebe. Außerdem müsse klarer werden, so Ströbele gegenüber der taz, dass die Partei nach wie vor für Gewaltfreiheit sei. Das sollte ein Grundsatz auch der grünen Außenpolitik sein. In dem Programmentwurf wird die Beteiligung der Bundeswehr an Militäreinsätzen nicht ausgeschlossen.

Unterstützung erhielt Ströbele von der linken Bundestagsabgeordneten Annelie Buntenbach. „Die linke Mitte würde ich mir etwas weiter links wünschen“, sagte Buntenbach der taz. Sie spielte damit auf die Einordnung der Grünen als „Partei der linken Mitte“ an, die der Bundesvorsitzende Fritz Kuhn bei der Vorstellung des Entwurfs vorgenommen hatte. Buntenbach forderte, die Grünen deutlich links von Schröders SPD zu positionieren. Ebenso wie Ströbele mahnte Buntenbach, die Partei sollte sich mehr auf soziale Gerechtigkeit, die Bekämpfung der Armut und die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten konzentrieren.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Soziales, Arbeitsmarkt und Gesundheit (BAG) lehnt Teile der gesundheitspolitischen Aussagen des Programmentwurfs ab. Darin verabschiedeten sich die Grünen vom bisherigen Konsens, in Deutschland keine Zweiklassenmedizin und keine Aufspaltung in Grund- und Wahlleistungen zuzulassen, teilte die BAG mit. Den Versicherungen werde Tür und Tor geöffnet, Leistungskataloge und unterschiedliche Tarife im Sinne einer Zweiklassenmedizin einzuführen, sagte Germanus Hungeling, Sprecher der BAG, zur taz. Die BAG kündigte an, auf dem Programmparteitag im November einen eigenen Entwurf zur Gesundheitspolitik vorzulegen.

J. KÖNIG/S. VON OPPEN