Knöllchen-Jagd bei klammen Kassen

■ Bei Haushaltsproblemen geht die Polizei offenbar verstärkt auf Streife / Polizisten mit schlechter Bilanz bekommen Probleme

Manchmal liegt das Geld einfach auf der Straße. Die Raser haben es, die Falschparker genau wie die, die über rote Ampeln sausen. Besonders teuer wird es für Autofahrer, die am Steuer trinken. Bußgelder sollen eigentlich der „Verkehrserziehung“ dienen. Aber: Zockt die Bremer Polizei seit Jahren Straßensünder ab, um ihren Haushalt zu sanieren? Dient die massierte Bußgeldeintreibung einzelner Beamter womöglich sogar deren Karriere? Es gibt Anzeichen, dass die Bremer Polizei systematisch abkassiert, weil sie finanziell klamm ist.

In anderen Bundesländern ist das längst Realität: 1997 kam heraus, dass Brandenburger Polizisten angewiesen wurden, eine Knöllchen-Quote einzufahren: Mindestens 30 Ordnungswidrigkeiten im Monat seien zu registrieren.

In Bremen soll es polizeiintern einen Durchschnitt von zehn Knöll-chen pro Monat geben, sagen Experten. Dabei legten die Reviere extrem unterschiedliche Zahlen vor. In einigen Revieren holten Streifenwagen pro Monat nur vier Strafzettel, in anderen bis zu 25.

Knöllchen-Faulenzer riskieren Krach mit dem Vorgesetzten. „Wer eine Zeit lang nichts reinbringt, wird von den Chefs angehalten, endlich mehr Strafzettel zu schreiben“, sagt ein Bremer Polizeimann, der anonym bleiben will.

Kein Einzelfall. Dieter Oehlschläger von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) erzählt aus seiner Zeit als aktiver Beamter: „Da sagte der Boss: Leute, wir müssen mehr tun, sonst kommen wir nicht an den Haushaltsansatz dran". Es sei üblich gewesen, in klammen Zeiten besonders einnahmeträchtige Punkte anzusteuern. Oehlschläger: „Etwa Dauerparker vor Geschäften abkassieren.“ Nicht die feine Art – und auch nicht im Sinn der Sicherheit. Oehlschläger: „Wenn ich das Personal zum Abkleben losschicke, fehlt es woanders.“ Dabei könnten die Beamten den Sünder oft viel besser „erziehen“, wenn er nach Ermahnung einfach straffrei bliebe. Oehlschläger: „Das ist viel wirksamer, als gnadenlos mit der Laserkanone abzukassieren.“

Jetzt wird die mutmaßliche Wegelagerei der Polizei Thema der nächsten Innendeputation. Dafür will Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der SPD, sorgen: „Fiskalische Gründe dürfen nicht das polizeiliche Handeln bestimmen. Für alles andere hätte niemand Verständnis.“

Den ersten Stein in der Bremer Knöllchen-Debatte warf ausgerechnet Polizeipräsident Rolf Lüken selber: Gegenüber der taz beschwerte er sich sechs Wochen vor seinem Abgang, das Innenressort übe „Pressionen“ aus, wenn absehbar sei, dass die Polizei nicht die im Etat vorgesehenen Bußgelder eintreibe. 4,5 Millionen Mark sind dieses Jahr im Haushalt für Knöllchen vorgesehen, 300.000 Mark mehr als im Jahr 2000, gar eine Million Mark mehr als 1999. Die Polizei unterschreite die Vorgaben jedoch beständig um „mehrere hunderttausend Mark“.

„Wenn das Soll nicht erreicht wird, fragen wir natürlich nach, warum“, sagt Markus Beyer, Sprecher der Innensenators. „Allerdings steht das Bußgeld nicht im Vordergrund der Polizeiarbeit, sondern die Sicherheit im Verkehr.“

GdP-Mann Oehlschläger kennt das Problem: „Die schreiben der Polizei jedes Jahr eine viel zu hohe Hausnummer rein“. Dabei seien die Knöllchen-Vorgaben locker zu erfüllen, wenn „wir nur mehr Personal hätten.“

Selbst die Polizei bestreitet nicht mehr, dass der Finanzdruck auf den Beamten lastet. Aber nicht jeder schert sich drum. Ein Beamter: „Ist mir egal. Ich arbeite doch nicht, um Geld für den Staat einzutreiben.“

ksc