Die Einmannpartei

Die FDP Berlin ist Altstar Günter Rexrodt. Dabei hat die außerparlamentarische Opposition eigentlich weder Nachwuchssorgen noch Marketingprobleme. Ihr Programm: 18 Punkte für 18 Prozent

von ROBIN ALEXANDER

Parteien wünschen sich, dass ihr Spitzenkandidat omnipäsent ist. Kontraproduktiv allerdings könnte der Eindruck sein, der Kandidat wäre allein schon die ganze Partei.

– „Haben Sie gelesen? Bärbel Bohley hat angekündigt, für die Berliner FDP Wahlkampf zu machen.“

– „Toll. Dann sind die ja schon zwei.“

So scherzen Berliner Journalisten in diesen Tagen, und der eine, der außer der aus Sarajevo gegen die PDS kämpfenden Bürgerrechtlerin die ganze FDP allein darstellen soll, der findet das gar nicht komisch. Günter Rexrodt: „Man muss doch wahrnehmen, dass wir mit einem Team antreten.“

Zwei aus dem Team hat Rexrodt an diesem Mittwoch mitgebracht, als er „18 Punkte für ein liberales Berlin“ vorstellt. Martin Matz, 36, Banker, sitzt im FDP-Bundesvorstand und genießt hohes Ansehen über seine Partei hinaus. Trotzdem wirkt er neben Günter Rexrodt wie ein Trainee neben dem Vorstandsvorsitzenden. Auch Tim Stuchtey, 33, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität, weiß, wer der Chef ist: „Jetzt guckt er schon wieder böse, dabei will ich hier doch gar nicht theoretisch werden“, scherzt er, blickt auf Rexrodt und bricht einen erklärenden Satz ab.

Tatsächlich ist die Berliner FDP ein Kuriosum: In dieser Woche stellt die Partei Bezirkslisten auf, auf deren aussichtsreichsten Plätzen Menschen unter 30 nominiert werden. Aber ihr Spitzenkandidat feiert kurz vor der Wahl seinen sechzigsten Geburtstag. Die FDP rühmt sich, die Neuwahlen gemeinsam mit den Grünen und der PDS erzwungen zu haben. Aber gewählt werden will sie, damit die PDS doch noch aus dem Senat fern gehalten werden kann. Die FDP ist nicht im Berliner Abgeordnetenhaus vertreten, also eine außerparlamentarische Kraft. Aber eine, die ihr Wahlprogramm in den Räumen des Deutschen Bundestags vorstellt. Da hat Rexrodt ein Büro.

Viele in der FDP erklären die Widersprüche der Partei aus ihrer rasanten Entwicklung in den vergangen Jahren. Ein national-liberaler Flügel, den es so nur in Berlin gab, konnte nach jahrelangen Querelen marginalisiert werden, der Obernationale Klaus Gröbig verließ die Partei. Ein ewiger Richtungsstreit zwischen Sozial- und Wirtschaftsliberalen ist endlich auch versickert. Die FDP heute, sagen Leute wie Martin Matz, sei geprägt durch Menschen, die wie er aus beruflichen Gründen ins boomende Berlin zogen. Auch manche der Studenten, die 1998 mit PAM, dem Projekt Absolute Mehrheit, die FDP eigentlich kapern wollten, arbeiten jetzt konstruktiv mit.

Die Jungen unter den Liberalen erklären in dem ihnen eigenen Jargon: Das Unternehmen FDP hat sich verändert. Beim Marketing erreichen die Liberalen im Zeitalter von Jürgen W. ja ohnehin neue Dimensionen: 18 Prozent sind als Wahlergebnis angepeilt, also stellt besteht auch das Wahlprogramm aus 18 Punkten. Bleibt noch die Frage nach dem Produkt: Was wollen diese Leute eigentlich? Das Wahlprogramm offenbartüber die „Neue Berliner FDP“ kaum etwas außer einer offensichtlichen Abneigung gegen Nebensätze: „Familienpolitik. Berlin muss eine kinderfreundliche Stadt sein. Dafür zu sorgen ist nicht nur Aufgabe der Politik. Zu viele Bürger fühlen sich durch Kinder gestört. Das muss ein Ende haben.“ Aha.

Tatsächlich richtet sich die Hoffnung der FDP auf eine ganz junge Kraft: Frank Steffel. Neben dem vorlauten Spitzenkandidaten der Union gebe doch die „erfahrene KraftRexrodt“ eine gute Figur ab. Während Steffel auf die PDS auf die „Kommunisten“ von der PDS drischt, scherzt Rexrodt bei jeder Gelegenheit demonstrativ verbindlich mit Gregor Gysi. Er polarisiert nicht und führt doch den eigentlichen Lagerwahlkampf: Die CDU kann eine Regierungsbeteiligung der PDS nicht mehr verhindern. Aber irgendwer muss es ja machen? Warum also nicht die FDP? Rexrodt lacht, als freue er über eine unerwartete gute Nachricht: „Die Frage, wozu man die FDP braucht, ist bei dieser Wahl wirklich deutlich beantwortbar.“