In Atlanta rollen Köpfe

Das Verschwinden des Ted Turner: AOL Time Warner baut seinen Nachrichtensender CNN um

aus New York NICOLA LIEBERT

AOL Time Warner habe bei seiner Fusion „einen wichtigen Vermögenswert einfach verschwendet“, schimpfte die Zeitschrift Business Week, und zwar Ted Turner, Gründer eines Kabelfernsehimperiums mit dem Nachrichtensender CNN als Flaggschiff. Turner ist seit der Fusion zwar laut offiziellen Firmenangaben stellvertretender Aufsichtsratschef und Berater der Firmenleitung. Aber zu sagen hat er nichts mehr, seit Medienkonzern Time Warner und Internetriese AOL im Januar fusionierten.

Und tatsächlich, mit CNN geht es, seit der vor Ideen stets überschäumende Turner nicht mehr die Fäden in der Hand hat, langsam, aber sicher bergab. Nachrichtensender wie Rupert Murdochs Fox News Channel oder MSNBC und CNBC machen der einst unangefochtenen CNN inzwischen ernsthaft Konkurrenz. Im Januar mussten 400 CNN-Mitarbeiter ihre Plätze räumen. Vor zwei Wochen schließlich trat der unter massiven Druck geratene Chef des Senders, Tom Johnson, zurück. Jetzt soll ein Zeitungsmann die Rettung bringen. Walter Isaacson, langjähriger geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift Time, wurde zum neuen Chef von CNN ernannt.

Der 49-Jährige kennt den weitverzweigten Konzern bestens, war er doch seit der Fusion für Realisierung der viel beschworenen Synergien zwischen alten und neuen Medien zuständig gewesen. Da hat er zum Beispiel dafür gesorgt, dass über AOL Abonnenten für die Zeitschrift Time geworben werden oder dass die Macher der Finanzblätter Money und Fortune mit denen der Finanznachrichten von CNNfn kooperieren. Er kündigte bereits an, dass er von den CNN-Journalisten erwarte, mit den Kollegen von Time künftig Informationen und Ideen zu teilen. Ein CNN-Studio wird demnächst deshalb vom Firmensitz in Atlanta aus ins New Yorker Time-Life-Gebäude ziehen.

Die Ernennung von Isaacson sei „ein Zeichen, dass solider Journalismus immer noch im Zentrum von AOL Time Warner“ steht“, sagte Konzernchef Gerald Levin. Die CNN-Journalisten wird das freuen, mussten sie doch befürchten, dass CNN möglicherweise in dieselbe Richtung gedrängt wird wie Fox News. Der Konkurrent ist höchst erfolgreich mit einer Mischung, die weniger auf das Ausgraben neuer Nachrichten als vielmehr auf stark meinungslastige Talkshows setzt.

Vor wenigen Monaten erst hatte eine andere Ernennung das Aus der Ära Turner bei Turner Broadcasting System (TBS) gebracht, zu dem neben CNN auch beispielsweise der Spielfilmsender TNT oder das Cartoon Network gehören: Jamie Kellner, der seinerseits unter dem Warner-Brothers-Dach das TV-Netzwerk WB ins Leben gerufen hatte, wurde im März an die Spitze der bei dieser Gelegenheit zusammengelegten TBS- und WB-Sender berufen. Damit war der alte Turner-Vertraute Terence McGuirk weg von Fenster – er hatte TBS geführt, seit Ted Turner seine Sender 1996 an Time Warner verkauft hatte. Turner seinerseits sah sich im neuen Superkonzern schon zuvor weitgehend kaltgestellt. An Time Warner hatte ihm noch ein Anteil von fast zehn Prozent gehört – mit entsprechendem Einfluss.

Durch die Fusion mit AOL aber sank sein Anteil am neuen Gesamtunternehmen auf nur noch 4,5 Prozent. Das Internet schien nun die Zukunft zu sein; Turners Kabelfernsehen musste zurück ins Glied und verlor seine bis dahin weitgehende Unabhängigkeit innerhalb des Konzerns. Turner, der vor einem halben Jahr schon mal Interesse an dem umkämpften russischen Fernsehsender NTW zeigte, die Idee dann aber wieder fallen ließ, hat unterdessen noch einmal einen Neuanfang gemacht.

In Atlanta, ganz in der Nähe des TBS-Hauptquartiers, hat er im Juni eine Filmproduktionsgesellschaft aufgezogen: Ted Turner Productions wird Dokumentationen und Spielfilme produzieren – und unter anderem an AOL Time Warner verkaufen.