Berlusconis schöner Gipfel in Genua

Im Vorfeld des G-8-Treffens sorgt Italiens Ministerpräsident dafür, dass sein eigenes Image nicht beschädigt wird

ROM taz ■ Die „Vorsehung“ bemüht Silvio Berlusconi gern in seinen Reden, vor allem, wenn es um die eignen politischen Erfolge geht. Der Herrgott meint es gut mit ihm; davon jedenfalls ist Italiens Ministerpräsident überzeugt. So gut jedenfalls, dass er ihm jedes Mal gleich zum Regierungsantritt einen schönen Gipfel beschert: 1994 das G 7-Treffen in Neapel, und jetzt G 8 in Genua.

Wunderbare Gelegenheiten sind das, auf internationalem Parkett als Gastgeber zu glänzen und daheim Punkte zu sammeln. Eine wichtige Lektion musste Berlusconi allerdings in Neapel lernen: Die wahre Gipfel-Gefahr droht von außen. Allerdings waren es nicht maskierte Autonome, sondern biedere Staatsanwälte, die ihm seinerzeit den Auftritt versauten. Pünktlich zum Spitzentreffen stellten sie ihm einen Ermittlungsbescheid wegen Korruptionsverdacht zu.

Gewitzt durch Erfahrung, will Berlusconi sich diesmal keine Gipfelpanne leisten. Seit seinem Wahlsieg am 13. Mai betreibt er G-8-Vorbereitung der besonderen Art. Die findet auf gleich vier Feldern statt. Erstens wurde gleich vorab die Schuldfrage für eventuelle hässliche Gewaltexzesse geklärt. Wie immer bei Berlusconi waren's die Roten. Schierer „Wahnsinn“ sei es, den Gipfel in Genua auszurichten, der an den Bergen klebenden ligurischen Hafenmetropole mit ihrem verwinkelten Altstadtkern – und diesen Wahnsinn habe die abgewählte Linksregierung zu verantworten, die seinerzeit für Genua optiert hatte.

Im zweiten Schritt galt es, die „Bombe Genua“ zu entschärfen. Seit Wochen führt die Regierung Berlusconi einen heftigen und ziemlich einseitigen Dialog mit den Globalisierungskritikern. Außenminister Renato Ruggiero – der früher als WTO-Chef jene Globalisierung ziemlich aktiv betrieb, gegen die die Demonstranten jetzt auf die Straße gehen – beteuerte ein ums andre Mal, eigentlich gebe es doch kaum Positionsunterschiede zwischen G-8-Ausrichtern und -Gegnern. Am letzten Wochenende setzte Berlusconi in der ihm eignen Art noch eins drauf und erklärte den (eigenen) Monolog zur wahren Form des Dialogs. Bei einer Vor-Gipfel-Stippvisite äußerte er in Genua, dermaßen einig sei er mit den Demonstranten, dass er gar nicht verstehe, warum die überhaupt noch kämen. Seiner Regierung liege nichts mehr am Herzen als die Armen der Welt. Deshalb werde er auf dem Gipfel die Schaffung eines „weltweiten Fonds für Gesundheit“ anregen.

Die Gutmensch-Tour prägte auch Berlusconis Handeln auf der innenpolitischen Bühne. Gleich zwei Resolutionen verabschiedete Italiens Abgeordnetenhaus im Vorfeld des G-8: eine der Regierung und eine der Opposition. Die Oppositionsentschließung mit mild globalisierungskritischen Tönen kam nur dank der Enthaltung der Regierungsmehrheit durch. Der Preis: Die Linke hatte sich vorher das Bekenntnis zur Tobin-Steuer – der Besteuerung internationaler Devisentransaktionen – abhandeln lassen. Ein schöner Erfolg für Berlusconi: Er muss die Rolle des Buhmanns nicht mehr allein übernehmen; nach den Abstimmungen nämlich kam es zum Gesprächsabbruch zwischen dem Genoa Social Forum und der Partei der Linksdemokraten.

Schließlich aber weiß die Regierung nur zu gut, dass heimische Rochaden vollkommen unerheblich sind fürs internationale Renommee. Das hängt vielmehr daran, ob Italien den Gipfel „ordentlich“ über die Bühne bringt. Zu wenig hat Berlusconi auf diesem Feld gewiss nicht getan; ein in Italien bisher nie gesehenes Polizeiaufgebot wird die „Rote Zone“ verteidigen. Andererseits plagt die Regierung die Sorge, womöglich habe sie ihre Beamten allzu sehr in Stimmung gebracht, mit Nahkampfsimulationen sowie den zahlreichen Hausdurchsuchungen und tausenden Personenkontrollen, zu denen Polizisten und Carabinieri ausschwärmten. Innenminister Claudio Scajola jedenfalls hielt es in Genua vor den versammelten Polizeichefs für geboten, daran zu erinnern, dass „friedliches Demonstrieren“ immer noch statthaft ist und dass auch Randalierer „Bürger“ bleiben. Blankgezogene Waffen, Feuer frei – Szenen wie in Göteborg sind nicht erwünscht. Sie könnten Berlusconi internationalen Imageschaden und obendrein heimische Popularitätseinbrüche bescheren. MICHAEL BRAUN