„Sicher keine feministische Vorreiterin“

Die Kulturwissenschaftlerin Corinna Rückert (36) arbeitete acht Monate lang für Beate Uhse TV. Sie erlebte Uhse als „faszinierende Frau“

taz: Frau Rückert, Sie sind von Haus aus Kulturwissenschaftlerin. Wie kam es, dass Sie bei Beate Uhse gearbeitet haben?

Der Sender Beate Uhse TV GmbH bot mir an, die wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Doktorarbeit für den Sender umzusetzen. Konkret hieß das, ein Programm zu gestalten, das sich Frauenwünschen und -fantasien in der Erotik widmet.

Wie verlief die Zusammenarbeit?

Positiv. Wir haben versucht, ein Programm auszuarbeiten, mit dem der Sender dann an den Start gegangen ist. Danach endete meine Mitarbeit, weil wir unterschiedliche Vorstellungen von der Umsetzung der weiteren Programminhalte hatten.

Können Sie mehr darüber sagen?

Nein.

Wie gestaltete sich ihr persönliches Verhältnis zu Frau Uhse?

Für mich persönlich war die Zusammenarbeit mit Frau Rotermund einer der wesentlichen Faktoren für meine Entscheidung, für diesen Sender tätig zu werden. Ich habe sie als eine unglaublich kreative, scharfsinnige und durchsetzungsfähige Frau kennen gelernt, besonders in der Anfangszeit, in der wir intensiv zusammengearbeitet haben. Sie war eine faszinierende Frau, und ich war sehr stolz, für sie und mit ihr arbeiten zu können.

Sagen Ihnen die Produkte aus dem Haus Beate Uhse zu?

Nun, es ist ein herkömmlicher Konzern, der in allererster Linie Männerinteressen bedient. Trotzdem hat Frau Rotermund es seit den 50er-Jahren bis heute geschafft, einen Konzern aufzubauen, der sich durch Glaubwürdigkeit auszeichnete. Sie gehörte niemals zu denjenigen in der Branche, die Dreck am Stecken hatten oder über die man schlechte Geschichten erzählen konnte. Sie hat innerhalb dieses auf Männerinteressen festgelegten Marktsegments einen sehr sauberen Konzern aufgebaut.

Hat Sie sich um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau verdient gemacht?

Mit Sicherheit hatten ihre Bemühungen, Anfang der 50er-Jahre Verhütungsmöglichkeiten zu schaffen, Einfluss auf die Selbstbestimmung der Frau. Es war ja nach dem Krieg nicht möglich, darüber überhaupt zu sprechen, sie war die erste. Das war ein wichtiger Beitrag, um eine befreitere Sexualität in Gang zu setzen. Aber sie war mit Sicherheit keine feministische Vorreiterin oder eine Einzelkämpferin für feministische Ziele, sondern hat ihre Vision von einer befreiten Pornografie umgesetzt.

Sie haben sich wissenschaftlich mit Frauenpornografie auseinandergesetzt und dann selbst einen Porno gedreht, „Das Geburtstagsgeschenk“. Hat eine Pornografie für Frauen überhaupt Raum in einem Konzern wie der Beate Uhse AG?

Es hat viele Gespräche gegeben, die in die Richtung gegangen sind, dass in diesem Bereich etwas passieren soll. Das fing bei der Umgestaltung der Shops an und reichte bis zum Einsatz von pornografischen und erotischen Materialien, die besonders auf den Frauengeschmack ausgerichtet sind.

Worin besteht dieser andere Geschmack?

Das Ergebnis meiner Untersuchungen war: Pornografie ist und bleibt Pornografie. Für Frauen ist es wichtig, dass die Umsetzung etwas ästhetischer, assoziativer und dezenter ist und dass das explizite Material stärker in einen Kontext eingearbeitet wird, als es für den Männermarkt notwendig ist. Das sind etwas andere Nuancen, nicht aber grundsätzlich andere Geschichten. Denn die Fantasien von Männern und Frauen sind letztlich ähnlich. Der Unterschied liegt in der Umsetzung: in der herkömmlichen Pornografie ist sie krass, eindeutig und direkt. Für Frauen dagegen ist eine höhere ästhetische Qualität nötig.

INTERVIEW: CRISTINA NORD