: Psychotherapie kann Kosten für Kassen senken
Eine Studie belegt den positiven Effekt von psychotherapeutischen Langzeitbehandlungen. Nicht nur die Patienten profitieren davon
Psychotherapeutische Langzeitbehandlungen senken die Kosten im Gesundheitswesen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Langzeitwirkungen von Psychoanalysen und Psychotherapien“, die im Namen der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) erhoben wurde. In einer Veröffentlichung der ersten Ergebnisse stellen die Wissenschaftler fest, dass psychotherapeutische Langzeitpatienten im Jahr vor ihrer Behandlung noch durchschnittlich knapp sieben Mal einen Mediziner konsultierten und etwa elf Tage krankgeschrieben waren. Gegen Ende der therapeutischen Behandlung sinkt die Zahl der Arztbesuche und Arbeitsunfähigkeitstage auf jeweils vier – damit einher gehend reduzieren sich auch Krankenhausaufenthalte und Medikamenteneinnahmen. Bei diesen Aussagen stützen sich die Forscher zunächst auf die Erinnerungen der Patienten. Erstmals in einer Studie jedoch wurden und werden deren subjektive Einschätzungen mit ihren Krankenkassendaten abgeglichen.
Ein äußerst positives Bild zeichnen die ersten veröffentlichten Ergebnisse auch von der Zufriedenheit der Behandelten. Rund 80 Prozent ehemaliger Psychotherapie- oder Psychoanalyse-Patienten haben nach eigenen Angaben von ihrer Behandlung profitiert. Erheblich gestiegen seien unter anderem Selbstwertgefühl, Lebenszufriedenheit, Bindungs- und Leistungsfähigkeit.
Staunend nahmen die Psychotherapie-Forscher die Bereitschaft zur Kenntnis, an der Studie mitzuwirken. „Wir hatten nicht erwartet, dass eine ganze psychoanalytische Gesellschaft sich dazu bereit erklären wird, eine Untersuchung durchzuführen, die die Ergebnisse der therapeutischen Arbeit ihrer Mitglieder auf den wissenschaftlichen Prüfstein legt“, heißt es in der Studie. Doch genau das ist geschehen. Die DPV förderte nicht nur das Forschungsprojekt: Mehr als 200 DPV-Psychoanalytiker und über 400 ehemalige Patienten haben sich auf den Prüfstein gelegt.
Die Frage, wie erfolgreich psychoanalytische Behandlungen sind, ist so alt wie die Psychoanalyse selbst. Immer wieder wurden Erhebungen an- und in vielen Fällen schnell wieder in Frage gestellt. Schon in den 50er-Jahren bemerkte der US-Wissenschaftler E. Glover: „Wie die meisten Psychotherapeuten ist der Psychoanalytiker ein widerwilliger und unerfahrener Statistiker“ – und Forscher. Robert Wallerstein, ebenfalls aus den USA, ärgerte sich immer wieder über die „methodische Schlichtheit“, mit der Analytiker ihre Erfolge noch bis in die 60er- und sogar 70er-Jahre hinein zu dokumentieren pflegten.
Verbesserungen der Krankheitsbilder wurden häufig ausschließlich von den behandelnden Therapeuten beurteilt, Patienten kamen mit ihrer Einschätzung kaum zu Wort, die Erfolge wurden nach Kriterien gemessen, die sich nicht vergleichen ließen. Kurzum: Viele der älteren Erhebungen waren wohl gemeint, aber alles andere als wissenschaftlich fundiert. Erst in den 70er-Jahren liefen systematische und formale Forschungsprojekte an, die jeden Patienten vor, während und nach der Therapie begleiteten.
Eines der bedeutenden Projekte mit 42 Patienten leitete Wallerstein selbst und erntete prompt das Lob, „systematische, methodisch fundierte Forschung über psychoanalytische Ergebnisse“ habe mit seinem „Psychotherapieforschungsprojekt der Menninger Stiftung“ überhaupt erst begonnen. Seither aber belegten eine Vielzahl von Studien den positiven Langzeiteffekt von Psychoanalysen.
Dennoch befürchten Analytiker, dass ihre erfolgreiche, aber eben auch sehr lange Behandlungsform angesichts knapper werdender Mittel unter Druck gerät. Immer wieder wurde zwar auf die mögliche Kosteneinsparung durch den sich verbessernden Gesundheitszustand der Patienten hingewiesen, nur wissenschaftlich belegt waren diese Angaben bisher kaum.
Die DPV-Studie legitimiert jedoch nicht nur die Erfolge der Psychoanalyse, sondern wirft im Interesse der Kostenträger einen Blick auf deren Rentabilität. Das Ergebnis unterstreicht die Behauptung der Psychiatrie-Enquete, jeder dritte Patient im Wartezimmer eines Arztes müsse nicht mit Tröpfchen, Tinkturen oder teurer Apparatemedizin versorgt werden, sondern gehöre eigentlich in eine therapeutische Praxis. Denn die Aufwendungen für medizinische Leistungen nehmen bei den Patienten schon während der psychotherapeutischen Behandlungen signifikant ab. ANDREA SCHNEIDER
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