Spiegel schmückt Gelöbnis

Beim Rekrutengelöbnis in Berlin spricht heute der Präsident des Zentralrats der Judenin Deutschland. Paul Spiegels Auftritt macht die Gelöbnisgegner ein wenig ratlos

BERLIN taz ■ Zum dritten Mal legen heute abend rund 600 Rekruten der Bundeswehr am Jahrestag des missglückten Attentats auf Adolf Hitler am Bendlerblock in Berlin ihr Gelöbnis ab. Bei der Zeremonie wird der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, sprechen.

Erstmals tritt damit ein Repräsentant der jüdischen Gemeinden in Deutschland als Redner auf. „Verteidigungsminister Scharping hat Herrn Spiegel bei einem persönlichen Zusammentreffen gefragt“, sagte gestern ein Ministeriumssprecher. In den Vorjahren hatten Kanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (beide SPD) gesprochen.

Informationen der taz zufolge wird Spiegel in seiner Rede die Verantwortung der Rekruten für das Gemeinwesen betonen. Seine eigene Haltung zur Bundeswehr habe sich gewandelt: Während die Wiederbewaffnung in den 50er-Jahren für die jüdischen Gemeinden unvorstellbar war, sei die Skepsis nun Vertrauen gewichen. Spiegel geht auch auf rechte Vorfälle in der Bundeswehr ein, die deren Führung aber sehr ernst nehme. Die Bundeswehr sei Teil der rechtsstaatlichen Demokratie. Deshalb nehme er gern an der Feier teil.

In Berlin gab es vor der Wiedervereinigung wegen der alliierten Sonderrechte keine Gelöbnisse. Seither fanden vier Feiern statt, begleitet von Zwischenfällen. 1999 störten halbnackte Gegner die Zeremonie. Nun steht ein großes Sicherheitsaufgebot bereit.

1999 hatte Scharping erstmals den Bendlerblock – seinen zweiten Dienstsitz – als Gelöbnisort gewählt. Dort waren 1944 Oberst Graf von Stauffenberg und einige Mitverschwörer nach dem Attentat auf Hitler hingerichtet worden. Die Zeremonie soll zeigen, dass die Bundeswehr auch in der Tradition des deutschen Widerstands stehe. 1998 hatte Umweltminister Jürgen Trittin für einen Eklat gesorgt, als er diese mit der Wehrmacht verglich.

Der Bund berufe sich auf Wehrmachtsoffiziere, deren Anliegen „eine modifizierte Form der ‚Volksgemeinschaft‘ “ gewesen sei, kritisiert das „Büro für antimilitaristische Maßnahmen“. Es sieht im Umbau der Bundeswehr „zur Angriffsarmee“ Kontinuitäten. Wer das Gelöbnis unterstützt, liefere der neuen Kriegsführung ein Alibi. Doch der Redner Spiegel bringt die Kritiker in Argumentationsnöte: „Die Bundeswehr hat einen guten Griff getan.“

Der Protest der Gelöbnisgegner muss 200 Meter vorm Bendlerblock enden: Das Berliner Verwaltungsgericht bestätigte am Donnerstag Verbote bzw. Auflagen des Polizeipräsidenten. Zwar müsse sich die Bundeswehr, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begebe, öffentliche Proteste gefallen lassen. Anders sei es aber mit „Bestrebungen, die direkt darauf abzielen, dass Gelöbnis zu stören“. NICOLE MASCHLER

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