Nur Bayern macht noch Zicken

Auch nach dem vorläufigen Jawort des Verfassungsgerichts zu Homoehen ab dem 1. August: Das CSU-Land Bayern will erst zum Jahresende die notwendigen Ausführungsregelungen erlassen – und muss deshalb mit Schadenersatzprozessen rechnen

von JAN FEDDERSEN

Wie einen Schock erlebten Politiker der Union am Mittwoch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts, das Gesetz zur so genannten „Homoehe“ nicht per einstweiliger Anordnung zu stoppen. Am 1. August kann es nun in Kraft treten – unabhängig vom Hauptverfahren, in dem der Erste Senat des Hohen Gerichts die Normenkontrollklage Bayerns, Sachsens und Thüringens prüfen wird. Der Entscheid kam für die Politiker der Union überraschend, weil sie erstens nie daran zweifelten, dass die Karlsruher Richter in ihrem Sinne entscheiden würden, zweitens aber, weil Bayern und Sachsen bis dato keine der gesetzlich vorgeschriebenen Ausführungsbestimmungen zum Lebenspartnerschaftsgesetz formuliert hatten.

Im Gesetz steht, dass der Ort der Partnerschaftsschließung den Ländern überlassen bleibe. Hätte der Bund beispielsweise das Standesamt vorgeschlagen, wäre dies ein Eingriff in die behördliche Hoheit der Länder – und damit im Bundesrat zustimmungspflichtig gewesen. Bis auf die Kläger haben alle Bundesländer zumindest Eilverordnungen erlassen, um schwulen und lesbischen Paaren den Gang zur eingetragenen Partnerschaft zum 1. August zu ermöglichen.

Sachsens Justizminister Manfred Kolbe ließ gestern mitteilen, dass sein Land die Entscheidung respektieren werde und „im Zweifel nun das Gesetz umsetzen“ werde. Entsprechende Bestimmungen würden demnächst im Kabinett diskutiert. Die fast provozierende Gelassenheit in Dresden verwundert den Grünen-Politiker Volker Beck, denn „es sind ja nur noch wenige Tage Zeit“. Vermutet wird, dass Sachsen es seinen Kommunen (wie Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg) überlässt, wo Homopaare sich partnern lassen dürfen: Im SPD-regierten Leipzig womöglich auf dem Standesamt, in den konservativen Kreisen bei einer Verwaltungsstelle.

Sachsen also wird sich – wie von Karlsruhe angemahnt – dem Bundesrecht beugen. Nur Bayern macht noch Zicken. Erst zum Jahresende werde man ein Ausführungsgesetz verabschieden können, so Staatskanzleisprecher Martin Neumeyer. Was aber zum 1. August passiert, ließ er offen. Nicht im Gespräch sind Standesämter. Sogar Notare, so war in München zu hören, könnten die Partnerschaften besiegeln. Das aber würde umgehend eine Klage in Karlsruhe seitens der rotgrünen Bundesregierung nach sich ziehen, denn Notare verkörpern keine staatliche Stelle.

Nach Angaben der Tutzinger Rechtsanwältin Maria Sabine Augstein, spezialisiert auf Fragen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, muss Bayern mit Musterklagen von bislang mehr als 50 homosexuellen Paaren rechnen, wenn ihnen zum 1. August die Schließung einer Lebenspartnerschaft verweigert werde. Die Klage bezöge sich auf Fahrtkosten, die bezahlt werden müssten, wenn Paare in andere Bundesländer reisen müssten. Eine Verzögerung hätte auch Rechtsnachteile für betroffene Paare zur Folge (etwa beim Vermögensausgleich, im Erbrecht, beim Zuzug ausländischer Partner). Dafür müsse Bayern aufkommen, so Augstein, wenn es weiter den Gehorsam gültigen Gesetzen gegenüber verweigere.

Unabhängig vom Streit im Generellen, so hieß es gestern aus Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion, haben einzelne Bundestagsabgeordnete der Union bereits signalisiert, dass sie nun auch beim zweiten Teil des Lebenspartnerschaftsgesetz – der die Rechte klärt, welche die Pflichten des ersten Teils ausgleichen (Steuerausgleich zum Beispiel) – zu Gesprächen nach der Sommerpause bereit seien. CSU-Mann Norbert Geis, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, so hieß es, spreche nur noch für sich selbst.