Kosovo heute

Zivile Strukturen im Kosovo aufzubauen, ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben, die sich die internationale Gemeinschaft gestellt hat. Nach dem Einmarsch der Natotruppen im Juni 1999 glichen große Teile des Landes einem Trümmerfeld. Viele Dörfer und Städte wie Djakova und Peje wurden von den abziehenden serbischen Truppen noch niedergebrannt, die meisten Dörfer Kosovos waren schon Monate vorher zerstört worden.

Mit der Rückkehr der vertriebenen knapp eine Million Albaner in das Land setzten Racheaktionen ein. Geschätzte 190.000 Serben, Roma und Mitglieder anderer Minderheiten, die mit dem serbischen Regime kollaboriert hatten, wurden von den Albanern zur Flucht gezwungen. Wieder brannten Häuser, diesmal jene der genannten Volksgruppen. Die einrückenden Kämpfer der UÇK versuchten sofort, die Verwaltungen der Gemeinden zu kontrollieren oder aufzubauen. UÇK-Polizei sollte für Ordnung sorgen. In den verbliebenen serbischen Enklaven mit rund hunderttausend Menschen regierten Angehörige der Miloševć-treuen Parteien.

Mit der Etablierung der UN-Mission im Kosovo, UNMIK, begann ein Prozess der Konsolidierung. Es gelang unter Mithilfe vieler internationaler Hilfsorganisationen, große Teile des Landes wiederaufzubauen. UNMIK und Kfor-Truppen (Nato plus andere, wie Russland) versuchten ab Sommer 1999, UÇK-Strukturen und Milošević-treue Kräfte einzudämmen. Die Gemeinden wurden ab Herbst 1999 von UN-Administrationen regiert, die internationale Polizei IPTF sollte Polizeifunktionen übernehmen. Ziel war es, nicht nur Verwaltungen von unten neu aufzubauen, sondern auch allen politischen Parteien freie Betätigung zu garantieren. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, OSZE, sollte die Wähler registrieren und Wahlen, zuerst in den Gemeinden, organisieren.

Im Oktober 2000 fanden dann tatsächlich Gemeindewahlen statt – übrigens wurde darauf geachtet, dass ein Drittel der Gewählten Frauen waren, ein Novum in der rückständigen Männergesellschaft aller Ethnien. Überraschenderweise gewannen in den albanisch dominierten Gemeinden die Konkurrenten der UÇK-Parteien (die UÇK-Armee war schon im Januar aufgelöst worden) die Wahlen. In den dreizehn serbischen Enklaven setzten die Milošević-treuen Kräfte einen Wahlboykott durch, lediglich die kirchennahen Reformisten stellten sich zur Wahl.

Trotz aller Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, über Seminare und andere Aktiviäten die ethnischen Spannungen abzubauen, ist die faktische Spaltung des Landes bestehen geblieben. Die serbisch wie die albanisch dominierten Gemeinden zögern weiterhin zusammenzuarbeiten. Mit dem Machtwechsel in Belgrad im Dezember sind jedoch die Chancen gestiegen, dass sich auch serbische Parteien an den Parlamentswahlen am 11. November beteiligen.

Inzwischen ist es gelungen, Teile der Polizeiarbeit in die Hände der lokalen Behörden zu legen. Mit den Kommunalwahlen sind viele Verantwortlichkeiten der UNMIK auf die gewählten Vertreter übergegangen, wenngleich sich die internationalen Organisationen weiterhin eine führende und überwachende Position gesichert haben. Angesichts der Reibungsverluste in den internationalen Organisationen – es ist ja nicht so leicht, rund vierzig Nationen unter einen Hut zu bringen – sind damit immerhin einige Ziele der internationalen Verwaltung erreicht worden.

ERICH RATHFELDER