Mehr als Sonne und Salsa

Kulturelle Brücken schlagen: „Radio Latinoamericana“ sendet im Offenen Kanal Hintergründe und Ungehörtes aus dem Süden  ■ Von Sandra Wilsdorf

Sonne, Cuba Libre, Caipirinha und Menschen, die den ganzen Tag singen und tanzen: Diese beschränkte Darstellung von lateinamerikanischem Leben ist für José Manuel Rodriguez das Ärgerliche am Latino-Boom. Das Gute aber ist, dass viele Menschen sich für Mittel- und Südamerika interessieren. Und dabei auch lernen, dass es dort mehr gibt als das, was hier als lateinamerikanisch vermarktet wird. Davon erfahren sie unter anderem in den zwölf Sendungen des „Radio Latinoamericana“.

Seit acht Jahren sendet es im Offenen Kanal. „Wir haben angefangen, weil wir nicht einverstanden waren mit den Bild, das die Medien von Lateinamerika zeichneten“, erzählt José Manuel Rodriguez. Sie wollten Interessierte teilhaben lassen an der Vielschichtigkeit ihres Kontinents, ihnen etwas über historische, soziale, politische Hintergründe und Zusammenhänge erzählen und mal andere Musik als Salsa und Merengue zu Gehör bringen.

Den Tango beispielsweise. Den stellt ein 75-jähriger Chilene in seiner Sendung „El Mundo del Tango“ jeden letzten Freitag im Monat vor. José Manuel Rodriguez sendet mit „Piedritas en tu ventana“ jeden zweiten Freitag ein Kulturmagazin mit aktuellen Themen und Analysen. Inzwischen auf Deutsch, „denn immer wieder haben nach der Sendung Hörer angerufen und gesagt, dass ich ja sehr schöne Musik spielen würde, aber sie leider nicht verstehen würden, was ich dazu erzähle“. Die meisten anderen Sendungen sind zweisprachig und werden von rund 20 Leuten betreut. Nachwuchs ist immer willkommen. Alles, was man wissen muss, wird beigebracht.

„Radio Latinoamericana“ bringt aber auch Musik, die man nicht sofort mit Lateinamerika assoziiert. Punk beispielsweise. Den gibt es jeden dritten Freitag in „Manifiesto“. „Dos en uno“ stellt dar, dass es Folk-lore jenseits von Mercedes Sosa gibt, „Triangula“ berichtet jeden zweiten Dienstag im Monat über die interkulturellen Verbindungen zwischen Brasilien und Afrika, „Creceremos“ ist eine Infosendung, in der auch schon mal über das Thema „Leitkultur“ aus lateinamerikanischer Sicht diskutiert wird, und „Brasil 40“ ein deutsch-brasilianisches Magazin mit vielen redaktionellen Beiträgen. In „La tipica“ legt ein DJ neueste Platten aus Spanien und Mittel- wie Südamerika auf, und in „Mamaterra“ erzählen erst seit kurzem brasilianische Jugendliche über ihr Leben in Hamburg.

Dabei ist die Musik immer auch Türöffner. „Beispielsweise spielt Rock in Lateinamerika eine ganz große Rolle, er ist eine starke Bewegung geworden“, sagt Rodriguez, der vor acht Jahren von Buenos Aires nach Hamburg kam. „Es geht auch um eine Querverbindung zu anderen Kulturen“, sagt Uschi Wittich, die beim Offenen Kanal das „Eine Welt Radio“ betreut, das jeden Morgen für die Weltbürger dieser Stadt sendet.

Aber „Radio Latinoamericana“ ist nicht nur auf Sendung. „Wir organisieren auch Konzerte, Tourneen und machen Promotion für lateinamerikanische Gruppen“, sagt Rodriguez. „Wir haben einen anderen Rhythmus und eine andere Weltanschauung. Das einzige, worum wir bitten, ist Verständnis.“

Der Offene Kanal sendet auf UKW 96,0 MHz, im Kabel auf 95,45. Infos unter www.radiolatinoamericana radioweb.de.