120 Meter Frau & Feminismus

■ Mit seiner Sammlung ist das Bremer Frauenarchiv „belladonna“ einzigartig im deutschsprachigen Raum

Über 1.000 Aktenordner reihen sich auf den schlichten Holzregalen aneinander. In jedem sind Zeitungs-artikel feinsäuberlich aufgeklebt, abgeheftet und mit Stichworten versehen. Über 300.000 Presseartikel aus regionalen und überregionalen Tages- und Wochenzeitungen rund um das Thema Frau haben die Mitarbeiterinnen im Bremer Frauenarchiv und Dokumentationszentrum von „belladonna“ bereits zusammengetragen. „Vom Umfang und der Aktualität her ist unser Archiv einmalig im deutschsprachigen Raum“, erläutert belladonna-Geschäftsführerin und Archiv-Mitbegründerin Maren Bock.

Alle nur erdenklichen Themen über oder von Frauen sind in den Ordnern systematisch erfasst: Körper und Seele, Bisexualität, Gewalt von oder gegen Frauen, feministische Theorien, eine Ecke mit speziell bremischen Themen oder verschiedene Ordner über einzelne prominente Feministinnen.

„Ein richtiger kleiner Schatz ist unsere Plakatsammlung“, erzählt Maren Bock stolz. Mehr als 1000 Plakate zum Internationalen Frauentag und anderen Frauenveranstaltungen aus der ganzen Welt habe sie im Laufe der Zeit zusammengetragen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Archivs sind die 20.000 Fachbücher aus den Bereichen Frauenbewegung, Feministische Theorien, Macht, Lesben, Rassismus sowie 260 verschiedene Titel in- und ausländischer Zeitschriften. Außerdem stehen 3000 Videofilme und 300 Tonmitschnitte von Veranstaltungen zur Verfügung.

Ebenso vielfältig wie die gesamte Sammlung sind auch ihre Nutzerinnen: in den Presseartikeln suchen vor allem Schülerinnen nach Informationen für Schulreferate, während Studentinnen und Lehrerinnen eher die Fachbücher zu Rate ziehen. Die Videos würden „für einen netten Abend“ ausgeliehen, so die Geschäftsführerin, und die zahlreichen Frauenreiseführer leis-teten bei der Urlaubsplanung wertvolle Hilfe.

„Bei uns kann jede Frau vorbeikommen und sich kostenlos beraten lassen“, so Maren Bock über das Angebot. Die Mitarbeiterinnen Marina Resnikov und Marjana Gr-sak würden helfen, Bibliographien zu erstellen und Materialien herauszusuchen. Für telefonische Anfragen müssten sie allerdings Bearbeitungsgebühren von 40 Mark pro Stunde (ermäßigt 15 Mark) berechnen. Per Telefon dürfen auch Männer Recherchen in Auftrag geben, da ihnen der Zutritt zu den Räumen des Archivs verwehrt ist. Dazu sagt die Geschäftsführerin: „Die Frauen wollen das so. Sie wollen in unseren Räumen unter sich sein und ungestört arbeiten.“

Wenn Männer und Frauen gleichberechtigt wären, sei das vielleicht nicht nötig, so die Feministin. Doch: „Die Männer wissen immer alles besser und nehmen den Raum für sich ein, und die Frauen lassen sich zurückdrängen.“ Deshalb bleibe es bei belladonna bei der strikten Geschlechtertrennung.

Die Idee eines Archivs speziell für Frauenthemen entstand vor über 15 Jahren im Asta-Frauenreferat an der Uni. „In den Bibliotheken gab es nichts zu dem Thema. Also begannen wir, Seminararbeiten und sonstiges Material auf eigene Faust zu sammeln“, erinnert sich Maren Bock. Um die Sammlung von unveröffentlichten „grauen Materialien“ zu vergrößern, „nehmen wir gern weiter Abschlussarbeiten oder Reader an und stellen sie einem breiteren Publikum zur Verfügung“, ruft Maren Bock zur Mithilfe auf.

Dass die Sammlung in den vergangenen 14 Jahren ihres Bestehens nicht an Bedeutung verloren hat, beweisen die insgesamt 800 Besucherinnen im Jahr 2000. Für sehr spezifische Themen würden sich auch Medien wie beispielsweise das ZDF an das Bremer Frauenarchiv wenden, sagt die Geschäftsführerin. Unentbehrlich sei die Sammlung auch für die Feministische Geschichtswerkstatt von belladonna, die das Archiv für ihre Forschungen nutzt. Im November soll ein Buch über gewalttätige Frauen erscheinen, für das im Frauenarchiv recherchiert wurde. Auch ein Stadtrundgang im Bremer Frauenstadtplan sei mit Hilfe der Informationen aus dem Archiv entstanden. An jedem Mittwochnachmittag zwischen 16 und 19 Uhr trifft sich die offene Archivgruppe, in der Frauen ehrenamtlich im belladonna-Archiv arbeiten, diskutieren und Zeitungen auswerten.

Sylvia Massow

Das Frauenarchiv in der Sonnenstraße 8 ist dienstags von 13 bis 15 Uhr und donnerstags von 15 bis 18.30 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter der Telefonnummer 703534.