Öko-Peking, wir kommen!

Grüne und SPD entwerfen eine Vision, wie Berlin in fast 20 Jahren aussehen könnte: Viele Fahrradfahrer, wenige einsame Menschen, keine negativen Einträge bei amnesty international. Ein Nachhaltigkeitsindex soll Zukunftsfähigkeit messen

von DIRK HEMPEL

Die bessere Zukunft ist in greifbarer Nähe. Nur noch 19 Jahre müssen sich die Berlinerinnen und Berliner gedulden. Dann soll die Stadt „zukunftsfähig“ sein. So sieht es ein Ziel- und Indikatorensystem vor, das die Abgeordneten Holger Rogall (SPD) und Hartwig Berger (Grüne) gestern vorstellten.

Berlin im Jahre 2020 sieht nach der rot-grünen Vision fast so aus wie Peking 2008. Nur die Olympischen Spiele fehlen. Ein Viertel aller Berliner soll sich mit dem Fahrrad fortbewegen, die Arbeitslosenquote soll auf 5 Prozent oder weniger gesenkt, die Wahlbeteiligung auf mindestens 90 Prozent erhöht werden.

Ja, sogar die Menschenrechte werden garantiert: „Reduzierung von Folterübergriffen bei Polizeiverhören auf null Prozent nach Bericht von amnesty international“, lautet ein mögliches Handlungsziel der Koalition. Es klingt verdächtig nach dem Sozialismusverständnis der Volksrepublik China, was sich die Umweltpolitiker von SPD und Grünen da ausgedacht haben. Umso verwunderlicher, dass die CDU das nicht für ihren gestrigen Wahlkampfauftakt nutzte.

„Das ist kein 20-Jahres-Plan, bei dem jährlich Planerfüllung um 102 Prozent vermeldet werden soll“, wollte der Sozialdemokrat Rogall die Angst nehmen. Und auch Berger will nicht mit allzu harter Hand agieren: Niemand solle gezwungen werden, sich auf das Fahrrad zu schwingen, versichert der Grünen-Politiker.

Schließlich ist ihr Zukunftsbild ja ein äußerst harmonisches: „Reduzierung des Anteils von Menschen, die sich einsam fühlen um 50 Prozent“, lautet die Vorgabe bis zum Jahre 2020. Für jede Berlinerin und jeden Berliner sollen dann auch mehr als sieben Quadratmeter „an siedlungsnahen Grüflächen“ zur Verfügung stehen. Natürlich mit sehr viel weniger Kohlendioxid- und Schadstoff-Emissionen belastet als in diesen Tagen, mit einem höheren Anteil an erneuerbaren Energiequellen, weniger Berufskrankheiten und Herz-Kreislauf-Störungen und mit Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen für alle, die jünger als 13 sind.

Berlin soll also nicht einfach nur sein wie Peking, sondern mehr. Öko-Peking könnte man es dann zum Beispiel nennen. Auch wenn die Visionäre Rogall und Berger sich das bestimmt ganz anders vorgestellt haben. Sie wollen vor allem rechnen können. Ein so genannter Nachhaltigkeitsindex soll her, mit dem sich die Zukunftsfähigkeit der Stadt messen lässt. Ganz egal wie einsam sich dann der Einzelne fühlt, lässt sich daran dann ablesen, wie sich Stadt insgesamt so entwickelt.

Mehr als eine Absichtserklärung ist das Ganze bisher freilich nicht. Das Abgeordnetenhaus soll sich damit nach Ansicht von Berger und Rogall aber auf jeden Fall mit ihrem Zukunftsplan beschäftigen – allerdings erst nach den Wahlen.