Hochleistung vor leeren Rängen

■ Den Internationalen Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften der Behinderten fehlte zum vollen Erfolg nur das Publikum

Hamburg, Stadtpark, Jahn-Kampfbahn – Spitzensport mit Handicap vor leeren Tribünen. Das ist die nüchterne Bilanz der 23. Internationalen Deutschen Meisterschaften der Behinderten, auch wenn Mitorganisator Roland Schulz meinte: „Über drei Tage hatten wir 2300 Zuschauer. Ein Erfolg, denn bei den Meisterschaften in Berlin kamen keine 600.“ Wichtiger als der Zuspruch der Öffentlichkeit, war der Run der Athleten, die aus Frankreich, Italien, Algerien und sogar aus dem Iran in die Weltstadt strömten, um im Hightech-Rollstuhl oder mit Spezialprothese Topleistungen und nie gesehene Fairness zu zeigen.

Dramatik im Hochsprung, als der beinamputierte Reinhold Bötzel aus Nienburg die auf schwindelerregende 1,92-Meter liegende Latte überfliegt und so den Leverkusener Friedrich Meier doch noch den Titel entreißt. Unglaublich die Rettungstat von Jeannine Rathjen vom Hamburger SV, als beim 5000-Meterlauf Claudia Brümmer strauchelte und nicht mehr weiter konnte. Rathjen stoppte, brachte ihre schärfste Konkurrentin auf die Beine und lief in 20 Minuten 54 Sekunden, rund zehn Sekunden langsamer, hinter Brümmer ins Ziel. Titel weg? Egal! Die Medaille der Moral geht an die Profisportlerin des HSV, die über 10 000-Meter ebenfalls Vizemeisterin wurde.

Zum ersten Mal überhaupt durften bei Deutschen Meisterschaften geistig Behinderte starten, und die entpuppten sich prompt als Bereicherung. Der 21-jährige Marcus Hiller von den Norderstedter Werkstätten ging in der offenen Klasse über 100-Meter-Sprint gegen körperlich Behinderte an den Start, jagte in 13,4 Sekunden über die Bahn und sicherte sich den siebten Rang. Über 800-Meter lief es noch besser – Platz 5. „Marcus hat starke Leistungen gezeigt, das wird ihn motivieren“, freute sich Trainerin Maike Rotermund, die auch noch Renate Schmuck (44/Kugelstoß) und Susanne Metzner (39/Sprint) betreute. Hochleistung vor leeren Rängen – das spricht nicht für das Tor zur Welt. Gunther Sosna