Albatros I auf Jagd nach Öl und Chemie

■ Umwelt-Sündern auf der Spur: Bremer Firma überwacht ab heute mit Flugbooten die deutsche Küste zwischen Dänemark und Holland /Auch Weser-Skipper im Visier /Die Flieger entdecken Öl, Netze, Container, Havarien

„Hier Delta, Echo Alpha, Lima, Golf, Öl fünf Meilen südlich von Helgoland – bitte kommen!“ So dürfte es sich demnächst anhören, wenn Herbert Meyer-Freese bei der Zentralen Meldestelle Küste (ZMK) in Cuxhaven Verstärkung anfordert. Seit heute ist Meyer-Freese der neue Luftsheriff für die deutsche Nordseeküste und die Weser. Seine Firma, die Wefa am Lankenauer Höft, bekam von der Deutschen Küstenwache den Auftrag, ab sofort die Küste zwischen Dänemark und Holland auf Ungereimtheiten zu inspizieren.

„Dagegen ist Speedy eine lahme Gurke“, meint Meyer-Frese und zeigt auf Albatross I und II. Im Unterschied zum Schnellboot nach Helgoland heben die beiden Albatrosse aber auch nach 500 Metern auf der Weser vom Wasser ab: es sind 12 Meter lange Flugboote mit 200 Sachen Reisegeschwindigkeit.

Müllkippe Nordsee: Zwei Drittel aller Fischarten sind durch rücksichtslose Überfischung, aber auch durch Schadstoffe in Gefahr. Laut einer belgischen Untersuchung entsorgten die Schiffe nur ein Zehntel ihrer Altöl- und Chemikalienabfälle im Hafen – billiger ist es draußen im Meer. Experten schätzen, dass pro Jahr zwischen 71.000 und 150.000 Tonnen Öl in der Nordsee landen - illegal. Auch der Zivilisationsmüll, der an die Strände gespült wird, dürfte zuvor bei Schiffen über Bord gegangen sein.

Das ist nicht nur unansehnlich, ein großer Teil ist für die Umwelt mehr als gefährlich. So entdecken die Flieger der Küstenwache bei ihren Patrouillen neben verklapptem Öl auch alte Netze oder verlorene Container. „Riesensauereien“, meint Pilot Bernhard Wasko. Immerhin haben die Öko-Frevel in der Nordsee seit 1982 um 80 Prozent abgenommen, sagt Wasko.

Ein Teil des Erfolges schreiben sich natürlich die tollkühnen Männer in den fliegenden Kisten der Küstenwache zu. Seit 1982 kontrollieren sie schon - von Wangerooge aus. Jetzt ist die Zentrale nach Bremen verlegt worden, um auch ein wachsames Auge auch auf Weserskipper zu werfen. „Ich kann ne verschmutzte Möwe aus 1000 Fuß Höhe erkennen“, meint Pilot Wasko. Helfen wird er ihr nicht können.

„Die Flugzeuge dienen hauptsächlich der Abschreckung“, meint Meyer-Freese. Ist ein Öko-Bösewicht entdeckt, meldet der Pilot per See- oder Flugfunk die mittels Satellitensystem GPS ermittelten Koordinaten zur ZMK nach Cuxhaven. „Die fahren sofort mit Vollspeed hin, inspizieren das Schiff und nehmen Proben“, ergänzt er. Mit Analysen läßt sich sogar zurückverfolgen, aus welchem Fördergebiet das Öl stammt - damit können Verklapper einwandfrei identifiziert werden. Meyer-Freese: „Es winken Strafen von bis zu 100.000 Mark.“ Und wenn der Containerhafen nach Wilhelmshaven kommt, „haben wir hier zehn mal so viele Schiffe“. „Wenn da nur eins auseinanderbricht, ist die ganze Inselkette im Eimer.“

Ab sofort werden die Albatrosse in unregelmäßigen Abständen über der See patrouillieren - und natürlich werden sie auch Havarien und Notfälle nach Cuxhaven funken. Zunächst sind 150 Flugstunden pro Jahr geplant, demnächst soll die Zahl verdoppelt werden. Außerdem will Meyer-Freese die Kontrollen im nächsten Jahr auch auf die Ostsee ausdehnen. Dazu soll in Rostock ein neuer Stützpunkt aufgebaut werden. Alles eine Frage des Geldes.

Die Küstenwache ist ein eingetragener Verein, der sich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Meyer-Freese wirbt um Mitglieder: „Wir verdienen nichts, auch die Piloten arbeiten ehrenamtlich. Trotzdem kostet eine Flugstunde 600 Mark.“

ksc