Kuckuckseier im Bendler-Block

Kreative Kriegsdienstgegnerinnen: Zwei junge Frauen setzten sich in einen schicken Benz, gaben sich als Scharpings Töchter aus und ließen sich zum Bundeswehrgelöbnis chauffieren. Dort ketteten sie sich an und protestierten gegen die Zeremonie

von NICOLE MASCHLER

Mit dem Chef ist nicht zu spaßen. Das mögen sich die Feldjäger gedacht haben, die Scharpings Töchter am Freitagabend auch ohne Einlasskarte zum Rekrutengelöbnis am Bendlerblock vorließen. Doch als sich die vermeintlichen Sprösslinge des Verteidigungsministers an den Absperrzaun ketteten und eine gellende Sirene auf das Pflaster warfen, dürfte auch den Wachsoldaten gedämmert haben: Da hatten sie sich ein Kuckucksei ins Nest gesetzt.

Tatsächlich gehörten die beiden Frauen zu den Jungdemokraten/Junge Linke. Und die fühlten sich durch das Verhalten der Soldaten bestätigt: „Da zeigt sich die Autoritätshörigkeit der Soldaten“, so eine Sprecherin. Im Zweifelsfall stünden die „Bürger in Uniform“ schnell stramm.

Schon Stunden vor dem Gelöbnis hatten mehr als 1.500 Polizeibeamte, Bundesgrenzschützer und Feldjäger das Reichpietschufer abgesperrt. Die 450 Demonstranten, die von der Gedächtniskirche aus ihren Protestmarsch gegen die „Kriegsführer in Berlin“ starteten, durften sich dem Gelöbnisplatz nur auf 200 Meter nähern. Das Sicherheitsaufgebot sollte ein Fiasko wie 1999 verhindern, als Gelöbnisgegner halb nackt über den Appellplatz gerannt waren.

Die Zeremonie war schon fast am Ende, als die schwarze Limousine in die Hildebrandstraße einbog. Im Hotel Adlon hatten sich die falschen Scharping-Töchter einen Drink genehmigt und dann die Limousine geordert. Deren Ankunft brachte das Wachpersonal in Befehlsnotstand. Am Ende konnte der Wagen ungehindert alle Sperren passieren, obwohl die Frauen nicht einmal gefälschte Einladungskarte besaßen. Verwirrung hatte es nur an einer Absperrung gegeben: Der VIP-Eingang, stellte ein Feldjäger klar, sei vorne.

Der Ankettaktion bereiteten die sofort herbeigeeilten Soldaten in Sekundenschnelle ein Ende. Die Jungdemokraten sind dennoch zufrieden: „Wir wollten ja nicht die Rede von Paul Spiegel stören, sondern den eigentlichen Gelöbnisakt.“ Die Bundeswehr könne eben nicht ungestört ihre militärische Rituale abhalten. Die Frauen wurden vorläufig festgenommen, aber noch am selben Abend wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen sie wird nun wegen Hausfriedensbruchs und der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole ermittelt. „Mit einem S-Klasse-Wagen eine Absperrung zu passieren“, so die Jungdemokraten, „ist noch kein Straftatbestand.“