„Kontrolle fand kaum statt“

Warum scheiterte die Ökobank? Weil sie nicht professionell geführt wurde, sagt der Chef des Aufsichtsrats, Burghard Flieger: „Ein richtiger Korinthenkacker hätte faule Kredite verhindert“

Interview K.-P. KLINGELSCHMITT

taz: Aus und vorbei für die Ökobank nach dreizehn Geschäftsjahren. Was ist schief gelaufen? Burghard Flieger: Im Grunde ist die Ökobank daran gescheitert, dass es – abgesehen vom Exvorstand Oliver Förster – in der Bank nie Führungspersönlichkeiten gegeben hat, die die Philosophie der Ökobank, die enge Bindung an die Basis, teilten und gleichzeitig professionelle Banker waren. Solche Leute gibt es offenbar nicht. Exzellente Banker zuckten beim Blick auf die Konzeption der Bank nur mit den Schultern. Und kluge Köpfe aus der Alternativbewegung – und das waren die Ökobankgründer alle – sind nicht zwangsläufig gute Buchhalter und Bonitätsprüfer.

Die aber braucht eine Bank.

Genau. Ein richtiger „Korinthenkacker“ an entscheidender Stelle hätte vielleicht verhindert, dass Großkredite an alternative Unternehmen vergeben wurden, die zwar gute Ideen, aber zu wenig Personal und Sicherheiten hatten.

Aber die geplatzten Großkredite wurden doch gerade vergeben, als der Bankprofi Förster Vorstand war.

Im Vorstand war Förster für diesen Bereich nicht direkt zuständig, sondern ein zweites Vorstandsmitglied (Volker Viehoff, die Red.). Die Bank sollte wachsen. Für die einen eher konstant, für die anderen, die eine Milliarde Mark als Bilanzsumme sehen wollten, eher schneller. Förster und Viehoff haben am Ende gemeinsam die Verantwortung übernommen und ihre Ämter zur Verfügung gestellt.

Also ist die Ökobank aus Mangel an Professionalität an der Spitze gescheitert?

Das kann man so sehen. Doch vielen an der Basis der Bank war das Maß an Professionalität schon zu viel an Abgehobenheit von der Szene. Ende der 90er-Jahre wollte die Ökobank – auf dem Weg zur Vollbank – einen Aktienfonds auflegen. Das war für die Kritiker des Vorstandes „Kapitalismus pur“ und ein Verstoß gegen die Philosophie der Bank.

Welche Fehler wurden im Geschäftsbetrieb gemacht?

Die Ökobank musste wegen ihrer Kostenstruktur ständig wachsen. Ein Fehler war es aber, nicht die Kooperation mit anderen alternativen Unternehmen zu suchen, sondern alles allein umsetzen zu wollen. Da war man plötzlich im Aktien- und Versicherungsgeschäft und in der Unternehmensberatungsbranche aktiv, ohne über das dafür nötige Know-how und die personellen Kapazitäten zu verfügen.

Wie sah das in der Praxis aus?

Niemand hatte etwa Zeit, einen Großkreditnehmer einmal vor Ort genauer unter die Lupe zu nehmen. Vertrauen war gut, Kontrolle fand kaum statt.

Nachdem die BVR die Aufsicht über die Ökobank übernommen hatte, gab es noch einen Versuch, die Ökobank mithilfe der GLS-Bank zu retten. Warum ist auch das gescheitert?

Daran ist die Sicherungseinrichtung des BVR nicht ganz unschuldig. Er war zwar bereit, bei einer Fusion die Kredite der Ökobank abzusichern, nicht aber die Betriebsrisiken. So schleppte die Ökobank einen Altschuldenberg mit sich herum. Dieses Risiko wollte die GLS-Bank nicht alleine tragen.

Die Ökobank verschleierte lange ihre prekäre Lage. War das nicht Betrug an den Genossen und der Kundschaft?

Es war ein Fehler, die Bank nach außen gesundbeten zu wollen. Doch vor der geplatzten Fusion mit der GLS-Bank bestand ja tatsächlich noch die Hoffnung, die Krise bewältigen zu können.

Eine trügerische Hoffung . . .

Ja. Danach griffen allerdings die gnadenlosen Bestimmungen des Vertrages über die Sicherungsmaßnahmen bei der Ökobank. Darin fixiert war schon der Verkauf von Ökovison und die Liquidation der Bank, falls die Zusammenarbeit mit der GLS-Bank nicht realisiert werden könne. Und so ist es dann ja auch gekommen.

Welche Rolle spielte der letzte Vorstand dabei?

Die aktuellen Vorstandsmitglieder waren nur noch Liquidatoren, auch auf Druck des Aufsichtsamtes für das Kreditwesen.

Welche Verantwortung tragen Sie?

Der jetzige Aufsichtsrat wurde erst gewählt, als der Sanierungsvertrag schon unterzeichnet war.

Und jetzt? Lasst fahren dahin alle Hoffung, ihr Kunden und Genossen der ehemaligen Ökobank?

Nein, die Ausgliederung der Ökobank an die BAG Hamm wird kein Dauerzustand. Es laufen erneut Übernahmeverhandlungen mit der GLS-Bank in Bochum. Und es gibt Gespräche mit der Triodos-Bank in den Niederlanden über den Aufbau einer europäischen Alternativbank.

Die Entscheidung darüber treffen aber nicht mehr die Genossen.

Das stimmt . Aber auch dem BVR ist doch – hoffentlich – klar, dass die Kundschaft der Ökobank nur bei der Stange bleibt, wenn auch die Philosophie der Bank erhalten bleibt. Bei einer stinknormalen Volksbank irgendwo wird wohl kein Ökobankkunde sein Geld deponieren. Mein Appell an alle Kunden und Genossen: abwarten. Vielleicht finden wir alle in der ersten europäischen Alternativbank eine neue Heimat.